Das optimierte Touristenfoto


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Schloss Babelsberg, Potsdam/D                    ©Stefan Anker

Zuerst habe ich mich geärgert. Als ich nach einem Termin in Potsdam noch zur Glienicker Brücke ging, um dort in der Gegend mein Foto des Tages fürs Projekt 366 zu machen, da schimpfte ich mit mir, dass ich nur das 24-105-Millimeter-Objektiv mitgenommen hatte. Das recht weit entfernte Schloss Babelsberg sah nämlich mit 105 Millimeter Brennweite auf meinen ersten Bildern etwas verloren aus, aber dann fiel mir doch noch etwas ein, um die Situation zu retten. Genauer gesagt, waren es drei Dinge.

Und um vielleicht mit dem vierten zu beginnen: Nein, ich renne nicht jeden Tag und den ganzen Tag mit dem kompletten Fotokoffer durch die Gegend. Wenn ich keinen Auftrag habe, entscheide ich mich meist für eine Kamera und ein einziges Objektiv (plus Blitz natürlich, man weiß ja nie) und sehe dann zu, dass ich damit mein Bild des Tages hinbekomme.

Das 24-105 ist, wenn man nichts Spezielles im Sinn hat, eine ziemlich gute Wahl. Denn mehr Weitwinkel als 24 Millimeter benötige ich selten, und mit der leichten Tele-Brennweite von 105 Millimetern kann ich eine Menge anfangen. Trotzdem war das Schloss irgendwie weit weg. Also habe ich gewartet.

Ich wartete auf ein Boot oder ein Schiff, und auf beides muss man in Potsdam gottlob nie lange warten. Das Ruderboot, das ich dann mit aufs Bild nehmen konnte, ist sogar die ideale Lösung, denn es offenbart Menschen, und die bereichern in der Regel jedes Bild. Aber für die Lösung meines Problems ist es gar nicht so wichtig, ob Menschen zu sehen sind, Hauptsache, das Boot ist da. Warum? Weil es einen zweiten Haltepunkt fürs Auge setzt, und plötzlich steht das Schloss nicht mehr so allein mit der vielen Gegend auf dem Foto herum. Das Boot ist hier auch nicht eben groß zu sehen, aber von ihrer Wirkung aufs Bild werden beide kleinen Elemente, das Boot und das Schloss, zu etwas Großem – die Landschaft jedenfalls dominiert nun nicht mehr, sondern tut das, was sie soll: die Kulisse bilden, den Hintergrund ausmalen. (Sorry an alle Landschaftsfotografen: Aber stellt euch diese Szene ohne Schloss und Boot vor – ihr würdet die Kamera nicht mal auspacken.)

Das Boot allein genügt aber nicht, ich habe auch noch auf etwas anderes gewartet, nämlich eine schöne Wolkenformation mit gutem Blau-Anteil am Himmel. Es war recht windig, und auch hier brauchte ich nur ein paar Minuten Geduld. Aber das ist es oft, was ein gutes Bild von einem Durchschnittsfoto unterscheidet: ein bisschen Geduld, eine kleine Wartezeit. Sehr leicht kann man diese Szene ohne Boot im Vordergrund fotografieren und mit komplett weißer Wand hinterm Schloss. Und wenn dazu noch die Sonne (kommt von schräg rechts) von Wolken bedeckt ist, dann wird es total öde. Fünf Minuten warten, und man bringt ein Bild zustande, das man auch vorzeigen mag.

Das dritte, worauf ich beim Fotografieren geachtet habe, war der Bildaufbau. Ich dachte erst an ein 16:9-Format und wollte den Streifen Wasser und den Streifen Himmel genau gleich dick haben, während der grüne Landstreifen etwas dicker wäre und somit zu Recht die Mitte bilden sollte. Diese Symmetrie der Waagerechte habe ich jetzt zugunsten des spannenden Wolkenhimmels wieder aufgegeben, aber es fällt doch trotzdem eine Schichtung der Farben blau-grau (Wasser), grün-gelb (Wald und Schloss), blau-weiß (Himmel) auf, die dem Motiv Ruhe und Gewicht verleiht. jedenfalls war das meine Absicht, weshalb ich Himmel und Landstreifen auch in gleicher Stärke ins Bild genommen habe.

Das ist alles kein Hexenwerk (ist Fotografie sowieso nicht), man braucht dafür kein Studium und keine komplette Ausrüstung. Nötig ist lediglich ein wenig Zeit, Freude am Bildermachen und die Bereitschaft, das zu tun, was Titel dieses Blogs ist: Mal Auge fragen.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

2 Kommentare zu „Das optimierte Touristenfoto

  1. Lieber Stefan, vielen Dank einmal wieder für diesen Beitrag! Das klingt alles so selbstverständlich und einfach … Und doch rufst Du mir jedes Mal einen eigentlich bekannten Aspekt wieder ins Gedächtnis oder flichtst etwas Neues ein. Man sieht eben doch mehr, wenn man zum Nachdenken angeregt oder auf etwas hingewiesen wird. Dein Blog ist einfach genial!

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