Die perfekte Linie


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Kawasaki ZR-10 R, Schönwald/D                    ©Stefan Anker

Um mal mit einem Vorurteil aufzuräumen: Beim Rennfahren geht es nicht um den dicksten Motor, sondern um die beste Linie. Dies kommt vor allem zum Tragen auf sogenannten Micky-Maus-Kursen, also solchen mit vielen engen Kurven und kurzen Geraden. Hohe Leistung spielt hier eine geringere Rolle als anderswo, weil sie schon nach wenigen Sekunden in der nächsten Anbremszone wieder vernichtet wird. Warum ich das erkläre? Weil ich heute wieder ein Auto auf dem Spreewaldring getestet habe, und weil ich hinterher einen Motorradfahrer sah, der das mit der Linie wirklich drauf hatte. Trotzdem war er mit seiner Fahrt nicht ganz zufrieden.

Nachdem ich ein paar Mitzieher geschossen hatte, sprach ich den Motorradfahrer an, um seine E-Mailadresse zu erfahren, weil ich ihm zwei, drei gelungene Motive schicken wollte. Ich deutete an, dass er ziemlich flott gefahren sei (man hörte auch öfter mal das Schaben der metallenen Knie-Pads auf dem Asphalt), aber er meinte, er sei noch zehn Sekunden hinter dem Streckenrekord geblieben.

Puh, das sind natürlich Welten, aber im Amateursport hat das auch viel mit Übung zu tun (Profis sind fast überall sofort schnell), und vielleicht war auch dass Motorrad zu stark: Er fuhr eine Kawasaki ZX-10 R mit 200 PS, und möglicherweise hätte man hier mit einer etwas schwächeren, aber deutlich leichteren 600er noch bessere Chancen.

Es stimmt, außer der Fotografie mag ich auch den Motorsport sehr. Ich fahre zwar selbst schon länger nicht mehr Motorrad (und ich war auch nie ein Kurvenkünstler, sondern bin lieber mit der Enduro über Sand und Schotter geprescht), aber mich beeindruckt die Fahrzeugbeherrschung genauso wie die Fähigkeit zum vorausschauenden Fahren. Weil ein fahrendes Motorrad viel stabiler auf Kurs liegt (auch auf dem falschen) und mangels Lenkrad und zweiter Spur schwieriger zu korrigieren ist als ein Auto, ist es unabdingbar, schon frühzeitig zu wissen, wann man wie einlenkt.

Und da gibt es vielleicht doch eine Parallele zum Fotografieren. Antizipieren, vorausahnen, wann man die Kamera wohin richten muss. Den korrekten Autofokuspunkt vorwählen, sich für einen Belichtungsmodus entscheiden – diese Dinge sollte man einigermaßen instinktiv beherrschen, wenn man nicht nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, sondern dann und dort auch noch den passenden Moment treffen will.

Auch beim Mitzieher ist das wichtig. Es reicht nicht, die Kamera hochzureißen, wenn das Motorrad vorbeikommt. Man muss das fahrende (laufende, reitende etc.) Objekt schon viel früher ins Visier nehmen, immer mal wieder den Auslöser halb durchdrücken, um den Autofokus bei Laune zu halten – und dann muss man sich für den einen Punkt entscheiden, an dem man das Dauerfeuer der Kamera auslöst, und sich selbst und die Kamera sanft, gleichmäßig und ohne Unterbrechung mit dem Motiv mitbewegt. Die Abschlagsbewegung beim Golf kann kaum komplizierter sein.

Aber wenn man den Ball richtig trifft und ihn erstmals über 150 Meter schießt – wow! In etwa so fühlt es sich an, wenn man in dem Wust an unscharfen Bildern das eine findet, das so super-rattenscharf ist, dass es einem die Nackenhaare aufrichtet.

Und dann weiß man auch wieder, dass sich die ganze Mühe gelohnt hat.

P.S.: Wer dieses Bild im Blog so groß wie möglich aufzieht, wird eventuell feststellen, dass die Schärfe nicht so mega ist, wie ich es im Text behauptet habe. Das liegt an der Komprimierung der Bilddatei für die Verwendung im Blog. Ich setze die jpg-Qualität auf 70 Prozent herunter, und wahrscheinlich quetscht WordPress (die Firma, die das Content Management System für dieses Blog stellt) die Datei auch noch ein bisschen zusammen. Für mich ist das okay, die Bilder sind gut genug für Blog und Social Media, man darf sie sich auch gern herunterladen zum privaten Gebrauch.  Aber man muss sich ja nicht unbedingt Poster davon drucken können – da bitte ich um Verständnis.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

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