Ich habe eine gute Kamera. Bin ich deswegen ein guter Fotograf?


Zuschauer bei der
Zuschauer bei der „Neon“-Tournee der Band Subway to Sally, aufgenommen im „X“ in Herford                    ©Stefan Anker

Heute muss ich von einem vergifteten Kompliment erzählen. Weil ich mir zu meinen Fotos etwas angehört habe, was ich eigentlich nicht so gerne höre. (Andererseits: Jeder, der seine Arbeit präsentiert, muss auch jeglichen Kommentar dazu ertragen, sonst wird es böse enden.) Also: Ich zeigte eine kleine Auswahl meiner Fotos, die eventuell am Ende des Jahres für den Bildband über die Band Subway to Sally infrage kommen, und ich zeigte sie Gina, der Vorsitzenden des Fanclubs. Ich hatte den Eindruck, sie mochte die Fotos, aber am Ende sagte sie auch: „Du hast schon eine brutal gute Kamera.“

Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen für Fotografen einigermaßen problematischen Satz zu interpretieren. Erstens: Mir gefallen die Bilder nicht, aber ich sage mal etwas Nettes über die Kamera. Das ist eine ganz gute Strategie, wenn man jemandem nicht offen mitteilen möchte, wie öde die Fotos sind. Die meisten (Männer) freuen sich, wenn man ihr teuer gekauftes Equipment lobt, und ihnen fällt dann oft gar nicht mehr auf, dass nichts über die Fotos gesagt wurde.

Zweitens könnte man den Satz auch so verstehen: Mir gefallen die Bilder, aber ich glaube, man braucht vor allem eine tolle Kamera, um solche Bilder zu machen. Ich nehme an, genau so war es gemeint, und darum will ich dazu etwas sagen.

Ja, gutes Werkzeug hilft. Es hilft dem Geiger die Stradivari, und die Bulthaup-Küche unterstützt den Koch. Aber doch jeweils nur, wenn sie auch ihr Handwerk beherrschen, wenigstens ein bisschen. In meinen Händen würde eine Stradivari nur schief klingen, und kochen kann ich weder in einer billigen noch in einer teuren Küche.

Aber fotografieren kann ich, und darum heißt dieses Blog hier MalAugeFragen und nicht MalKameraKaufen. Einen guten Bildaufbau kann man mit allem machen, was einen rechteckigen Ausschnitt mit Sensor dahinter hat, also auch mit einer 99-Euro-Kamera und sogar mit einem Smartphone. Eine gute Idee kann man sogar ohne Kamera haben (dann setzt man sie halt später um). Gute Foto-Standorte sind auch nicht gerade abhängig vom Einkaufs-Budget. Und gute Gelegenheiten, wie ich sie gerade bei der „Neon“-Tour von Subway to Sally erhalte, bekommt man, wenn man einen guten Plan hat und vielleicht auch ein wenig Überzeugungskraft und/oder Verhandlungsgeschick.

Es geht also eine ganze Menge ohne teure Kamera, trotzdem muss ich gestehen, dass ich genau so ein Ding besitze. Aber die teure Technik kam bei mir nicht am Anfang meiner fotografischen Entwicklung. Ich habe mich gewissermaßen hochgedient, und jetzt genieße ich vor allem drei Vorteile meines „brutal guten“ Profi-Equipments.

Erstens: Die Sachen sind unfassbar robust, stabil, hochwertig. Ich gehe nicht übermäßig  pfleglich mit Kameras und Objektiven um, ich habe auch schon Dinge fallen lassen und bin sogar einmal mit Kamera plus Telezoom lang hingeschlagen, wobei ich den Arm nicht rechtzeitig nach oben reißen konnte. Es gab ein paar Kratzer am Gerät, aber alles funktionierte weiter wie gewohnt, und ich empfinde ein tiefes Urvertrauen, dass das immer, immer, immer so bleiben wird. (Und hier geht es zu einem weiteren, eher kuriosen Kamera-Unfall.)

Zweitens: Die Profi-Ausrüstung sieht auch wie eine Profi-Ausrüstung aus – groß und schwer. Das ist manchmal anstrengend im Handling, aber auf der anderen Seite scheint es mir so, dass Kundschaft beruhigt ist, wenn ich für das satte Honorar, das ich abgreife, auch ein bisschen Technik anschleppe. Psychologie, was will man machen?

Drittens: Mit lichtstarken Objektiven, rasanter Autofokus-Elektronik und mit Sensoren, die wenig Bildrauschen und viel Dynamik produzieren (die also sehr helle und sehr dunkle Partien im selben Bild gut darstellen können), erhöhe ich natürlich gerade bei widrigen Bedingungen wie einem Rockkonzert die Chance, dass unter den vielen geschossenen Fotos auch mal eins ist, das richtig gut aussieht. Das ist mir wichtig, sonst wird die Arbeit entweder sehr spät fertig, oder es treibt mich in den Wahnsinn, dass ich meine Ideen nicht umsetzen kann.

Schauen wir auf das Bild, das ich hier über den Text gestellt habe. Es ist scharf, gut belichtet, rauscharm und wäre ohne eine gute Kamera vielleicht technisch nicht so hochwertig geworden. Aber eigentlich zeigt dieses Foto eher das Ergebnis meiner Arbeit als die Qualität meiner Ausrüstung. Wir sehen hier – natürlich – Gina in der Menge der Konzertbesucher, und ich denke, man kann auch ohne Bildunterschrift erkennen, wer  die Hauptfigur ist. Ich habe Gina anvisiert und abgewartet, bis sie guckt – die meisten Leute gucken, wenn ein Objektiv auf sie gerichtet ist, sie spüren das irgendwie. Glück hatte ich damit, dass der Mann am Lichtmischpult gerade die erste Reihe der Fans angeleuchtet hat, aber dass Gina da steht, wo sie steht, das war dann wieder meine Entscheidung (nicht ihr tatsächlicher Standort in der Halle, sondern ihr Platz im Bild).

Ich bin auf Nummer sicher gegangen und habe sie an den rechten unteren Schnittpunkt zweier Drittellinien gesetzt, denn ich wollte, dass sie sofort als Motiv wahrgenommen wird. Blickkontakt plus Befolgen der Drittelregel helfen schon mal sehr beim schnellen Erfassen dieses Fotos. Unterstützt habe ich diese Wirkung noch in der Bildbearbeitung, indem ich die Personen im Hintergrund abgedunkelt und das Schwarz noch schwärzer gemacht habe. Außerdem trägt das Bild eine Vignette (Abdunklung der Ecken), und ich habe per Korrekturpinsel einen leichten, aber bemerkbaren Helligkeitsunterschied zwischen Gina und den anderen Fans in der ersten Reihe hergestellt.

Von der Aufnahme bis zur Bearbeitung geht es immer um die Bildidee. Die darf man auch schlecht finden, damit muss ich dann leben. Wichtig ist nur, dass Idee sowie Umsetzung nichts mit der eingesetzten Kamera zu tun haben. Kamera und Objektiv haben nur dabei geholfen, die technische Qualität des Fotos auf ein hohes Niveau zu heben, und vermutlich hat die Ausrüstung auch ihren Teil dazu beigetragen, dass das Bild im ersten Versuch geklappt hat.

Aber das ist dann auch alles.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

4 Kommentare zu „Ich habe eine gute Kamera. Bin ich deswegen ein guter Fotograf?

  1. sprichst mir aus der Seele, das Internet ist voll von Gear Reviews und was „Fotografieren“ wirklich ist bleibt auf der Strecke….Leicas helfen nicht ein „Killer“Bild zu machen….

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  2. Lieber Stefan,
    wir fotografieren ja mit ähnlichem Equipment, darum brauchen wir nicht um den heißen Brei herumschwafeln. Erklären wir doch den Leuten ganz einfach, wie gut unser Herd daheim kocht … 😉

    Liebe Grüße
    Matthias

    P.S. Mir fehlt bei Deinem „MalAugefragen“-Blog das tägliche Element … Ich weiß aber auch, welchen Druck man sich macht, wenn man täglich etwas veröffentlichen will …

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    1. Danke, Matthias. Das tägliche Projekt ist vorbei, und ich bin darüber nicht unglücklich. Aber die Frequenz soll sich hier trotzdem wieder erhöhen, dazu brauche ich aber noch ein bisschen Zeit für die Strategie dahinter. Und zum Equipment: Ich mache kein Geheimnis um meine Kameras, ich habe sie auch schon mal genannt. Aber das mache ich nur, wenn es tatsächlich um Technik geht – in diesem Beitrag hier schien mir das fehl am Platz zu sein. Schöne Grüße zurück.

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