
Gestern Abend hatte ich folgendes vermutet: Tagsüber ist in der Altstadt von Florenz ungefähr das Zehnfache los. Diese Annahme war falsch, denn es ist das Zwanzigfache oder noch mehr. Was wir hier sehen, sind die Menschenmassen auf der Ponte Vecchio, einer der berühmtesten Brücken Italiens. Allerdings habe ich dieses Foto auch wieder ziemlich zugespitzt, sowohl in der Bearbeitung (natürlich) als auch vorher beim Fotografieren.
Mancher hat vielleicht schon mal gehört, dass ein Teleobjektiv Vorder- und Hintergrund sehr eng zusammenrücken lässt. Nun, dieses Bild hier ist der Beweis dafür. Dass es so aussieht, als gäbe es praktisch keinen Platz mehr in der Tiefe zwischen den Menschen, liegt an der Brennweite von 200 Millimetern. Tatsächlich kam man noch ganz gut durch, angenehm war es trotzdem nicht. Aber wen will man kritisieren, wenn man selbst Teil des Problems ist?
Falls sich übrigens jemand fragt, wieso das hier gar nicht nach Brücke aussieht: Sie ist an beiden Rändern mit Häusern bebaut (eine 100-Quadratmeter-Wohnung wird für 520.000 Euro angeboten), und im Erdgeschoss findet man nur Juweliere und Uhrengeschäfte. Als im 13. Jahrhundert erstmals Häuser auf der Brücke errichtet wurden, siedelten sich hier die Metzgereien der Stadt an. Drei Jahrhunderte später hat die herrschende Medici-Familie die Metzger vertrieben (wegen des Gestanks) und Juweliere auf der Brücke angesiedelt. So ist es bis heute geblieben, denn Geld stinkt ja nicht.
Zurück zum Foto: Um es noch ein wenig unangenehmer aussehen zu lassen, als es ist, habe ich natürlich mit minimaler Tiefenschärfe fotografiert, was die Menschen im Vordergrund schön unscharf gemacht hat. Und in der Bearbeitung habe ich nicht nur eine Vignette genutzt (Abdunklung der Ecken), sondern auch die Kombination aus Entsättigung und Kontrasterhöhung ziemlich auf die Spitze getrieben.
Ziel war, die Szene so ungemütlich wie möglich aussehen zu lassen – ist nicht ganz fair, ich weiß (Lügenpresse, Lügenpresse!), aber es bringt die Enttäuschung über den Besuch auf der ältesten Brücke der Stadt ganz gut auf den Punkt.
Aber so wird es bleiben mit dem Städtetourismus, wenn nicht irgendwann das Flugbenzin knapp wird.
P.S.: Wer nicht so weit reisen will, um so ein vergleichbares Bauwerk zu sehen, besucht in Erfurt die Krämerbrücke. Die allerdings auch immer ziemlich voll ist.