Der Mogel-Mond


Mond, Vollmond, Nacht
Vollmond, Aeroeskoebing/DK                    ©Stefan Anker

Ach, was hatte ich mich auf den Vollmond gefreut. Hoch stand der noch nicht ganz volle Mond schon in den letzten Nächten über unserem Haus, dank des wolkenlosen Nachthimmels beschien er das Meer, und ich ahnte, ich dachte, ach was, ich wusste: Das wird mein perfektes Motiv in der Nacht vom 17. auf den 18. August. Pustekuchen.

Von Romantik, das sieht man ja, ist in meinem Bild keine Spur, es ist mehr eine wissenschaftliche Abbildung: nicht ohne Reiz zwar, dafür ohne jede Emotion.

Der Grund ist wieder einmal die Überlegenheit des Auge-Gehirn-Systems gegenüber der Objektiv-Sensor-Kombination. Erstens kann der Mensch mit demselben Blick sowohl Strukturen in der schwach beleuchteten Nachtlandschaft erkennen als auch die hellen und dunklen Flecken auf dem Mond voneinander unterscheiden. Dabei versagt die Kamera total. Wenn ich die Szenerie mit der spiegelnden Ostsee korrekt belichte (ISO 200, Blende 5.6, 1/40 Sekunde), dann ist der Mond eine gleißende und blendende Scheibe mit einer unangenehmen Korona aus ausgefressenem Weiß drum herum. Unmöglich, diesem Bild irgendetwas abzugewinnen.

Also habe ich die Belichtungskorrektur meiner Kamera genutzt, und ich musste sie komplett ausreizen, bis zu einer Unterbelichtung um fünf Stufen. Nun, bei ISO 200, Blende 5.6 und 1/1250 Sekunde, ist der Mond perfekt (wie hier auf dem Bild zu sehen), aber die Landschaft auf der Erde ist in tiefes Schwarz getaucht. Keine Konturen, keine Schatten mehr, auch keine Lichtreflexe vom Wasser, es ist alles nur ein tiefschwarzes Nichts.

Die technische Lösung wäre ein spezieller Filter, der die obere Hälfte des Bildes während der Aufnahme stark abdunkelt. So etwas gibt es (nur nicht in meinem Besitz), es nennt sich Verlaufsfilter, und die Funktion ist natürlich auch digital zu haben. Während der Bildbearbeitung nutzte ich die Verlaufsfilter-Funktion von Lightroom sogar recht häufig, weil ich durch eine Abdunklung um etwa eine halbe Blendenstufe den Himmel etwas dramatischer gestalten will. Aber damit der digitale Verlaufsfilter wirkt, muss man ihm etwas anbieten, mit dem er arbeiten kann. Ausgefressenes Weiß gehört nicht dazu – wo keine Strukturen sind, kann Software auch keine herstellen (eigentlich ein ganz beruhigender Gedanke).

Theoretisch lässt sich ein Verlaufsfilter auch simulieren, nämlich mit der Hand. Bei einer Langzeitbelichtung könnte man die obere Hälfte des Objektivs eine Zeitlang abdecken und schauen, wie sich das auf dem Bild auswirkt. Nur schien der Vollmond ja so hell, dass eine Langzeitbelichtung gar nicht angezeigt war. Die erste Aufnahme, bei der die Landschaft auf der Erde korrekt belichtet war, dauerte 1/40 Sekunde – wie soll ich da den Mond mit der Hand so abdecken, dass er möglichst nur für 1/1000 Sekunde auf den Sensor scheint?

Ich musste meinen ursprünglichen Plan also fallen lassen, ich habe mir die Anschaffung eines Verlaufsfilters auf die To-do-Liste geschrieben, und ich habe mir die noch folgenden Vollmondnächte für den Verlauf meines Projektes 366 notiert: 16.9., 16.10., 14.11. und 14.12. Mal sehen, was da noch geht.

Das Bild, was ich jetzt hier eingestellt habe, zeigt also nur den Vollmond selbst, fotografiert mit dem Teleobjektiv und der besagten 1/1250 Sekunde. Das war fotografisch keine große Herausforderung und brachte auch ein ordentliches Ergebnis. Doch das Bild, wie es hier im Blog steht, ist eine Mogelpackung.

Fürs Hochladen auf MalAugeFragen nehme ich stets eine Bildgröße von 750 Pixeln an der kurzen Kante, im Falle eines Quadrates ist das Bild also 750×750 Pixel groß. Doch während ich normalerweise die Auflösung meiner Originalbilder herunter rechnen muss, hat dieser Mond hier tatsächlich nur 750×750 Pixel. 385.000 Kilometer Entfernung sind halt nicht mit 200 Millimeter Brennweite zu kompensieren, selbst wenn man eine Kamera mit dem kleineren APS-C-Sensor nimmt und somit den Bildausschnitt eines 320-Millimeter-Objektives erhält. Was wir hier sehen, ist also eine Ausschnittsvergrößerung am Rand des Erlaubten.

Um zu verdeutlichen, was ich meine, stelle ich hier ausnahmsweise auch mal ein zweites Bild desselben Motivs mit ein. Es ist tatsächlich dasselbe Foto, nur so beschnitten, dass es im Original eine Kantenlänge von 3000×3000 Pixeln hat. Das ist die Größe, die ich meinen Kunden für meine Bilder garantiere, so können sie damit Ausdrucke in DIN A3 (29×42 cm) machen – oder in diesem Fall quadratisch 30×30 cm.

Mond, Vollmond, Nacht
Vollmond, Aeroeskoebing/DK                    ©Stefan Anker

Aber so würde sich den Mond wohl niemand an die Wand hängen. Wenn ich die Mond- und Astrofotografie also ernsthaft betreiben wollte, brauchte ich nicht nur einen Verlaufsfilter, sondern vor allem ein richtig langes Teleobjektiv. Ich schätze, 600 Millimeter wären das Minimum, gerne auch 800.

So etwas ist natürlich im Handel erhältlich. Allerdings zu Mondpreisen.

P.S.: Später, sehr viel später ist mir eingefallen, dass ich mithilfe eines Stativs mein eigentlich geplantes Bild auch als Doppelbelichtung hätte machen können. Also zunächst die Landschaft korrekt belichten, dann den Mond, dann beides zusammen rechnen. Beim nächsten Mal – nein, nicht morgen oder übermorgen, denn dann ist der Mond kein Vollmond mehr und sieht krumm aus.

P.P.S.: Für die Weltraumforscher unter uns: Wenn man sich das Bild mit dem großen Mond ansieht, entdeckt man da nicht nur die großen dunklen Meere, sondern auch helle Punkte, die wie nächtlich beleuchtete Städte aussehen. Und dann sind da noch die dünnen, hellen Linien, die sich, von der „Stadt“ ganz unten ausgehend, über die Oberfläche ziehen. Sehr geheimnisvoll – man müsste mal hinfliegen, oder?

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