
Tag eins nach dem Brexit, business as usual. Ich befinde mich in England, genauer an der historischen Rennstrecke Brooklands, Mercedes stellt den neuen AMG GT R vor, Formel-1-Star Lewis Hamilton gibt ein PR-Interview fürs Radio. Weltpolitik? Europakrise? War da was?
Ich weiß, dass journalistische Kollegen aus anderen Fakultäten das nicht fassen können, aber unter Motorjournalisten ist ein neuer Supersportwagen gewöhnlich eine Sache, die sie die großen und wichtigen Themen auch mal vergessen lässt.
Und wenn die ganze Welt zusammenbricht, es macht einfach Spaß, mit dem Formel-1-Weltmeister über den Unterschied zwischen GT S und GT R zu sprechen. Oder darüber, ob sich ein 585-PS-Wagen eigentlich schnell anfühlt, wenn man schon mal Formel 1 gefahren ist.
Was Hamilton in diesem Moment hier sagt, habe ich nicht mitbekommen, da habe ich mich einfach aufs Fotografieren konzentriert und abgewartet, bis er im Interview eine besondere Geste macht. Warten lohnt sich in solchen Fällen immer, bei jedem Menschen, denn keiner kann minutenlang stocksteif dastehen und einfach nur sprechen.
Wegen der Unruhe in der Szene (es liefen immer wieder Leute im Hintergrund herum) habe ich mich während der Bildbearbeitung dazu entschlossen, eine Schwarzweißaufnahme herzustellen – ein Schwarzweißfoto sieht schon mal grundsätzlich immer etwas konzentrierter aus, weil eine Wahrnehmungsebene fehlt, nämlich die der Farben. Außerdem kann man bei Schwarzweiß die nicht so wichtigen Elemente im Bild stärker abdunkeln, ohne dass es unangenehm auffallen würde.
Ich mag dieses Bild, weil es eine bekannte und in der Öffentlichkeit recht kontrolliert auftretende Persönlichkeit in einem sehr natürlichen Moment zeigt, und weil letztlich alles in dieses Foto hinein interpretiert werden kann. Die Mercedessterne auf dem Mikrofon deuten zwar an, dass es hier um Werbung für ein neues Produkt geht, doch Mimik und Gestik lassen freie Themenwahl zu.
Wer weiß, vielleicht äußert sich der Formel-1-Weltmeister doch gerade zum Brexit? Na ja, so weit würde ich nicht gehen. Dafür läuft die Maschinerie im Hause Daimler dann doch zu perfekt.
Das Foto finde ich trotzdem schön.
P.S.: Ich habe das Bild erst um 0.44 Uhr am 25.6. hochgeladen, aus Gründen der Kontinuität meines Projekts 366 habe ich den Zeitpunkt aber um eine Stunde vordatiert, damit als Veröffentlichungsdatum der 24.6. da steht. Das ist legitim, weil das Foto ja am 24.6. gemacht wurde. Und hier in England ist es gerade auch eine Stunde früher.