
Was ich überhaupt nicht mag: Wenn Leute erklären, das das Wort Fotografie aus dem Griechischen komme und „Malen mit Licht“ bedeute. Erstens: Ja, das weiß ich. Zweitens: Unausgesprochen schwingt immer mit, dass nur der Sprecher selbst die Bedeutung des Wortes wirklich durchdringe und in der Lage sei, das Licht für seine Malerei einzusetzen. Bullshit, um es mal mit einem wichtigen Wort aus dem amerikanischen Wahlkampf zu sagen.
Es ist nämlich völlig unerheblich, wie man Fotografie übersetzt. Gute Fotos kann man auch ohne Kenntnisse des Altgriechischen machen, und ich weigere mich grundsätzlich, die Fotografie mit der Malerei zu vergleichen. Ja, Licht spielt eine Rolle in beiden Disziplinen, aber meine Güte, für diese Erkenntnis muss man jetzt auch kein Studium abgeschlossen haben.
Warum ich so zornig bin? Weil es mich nervt, wenn aus allem eine Wissenschaft gemacht wird. Es hat schon seine Richtigkeit, dass in jedem Smartphone eine Kamera steckt: Fotografieren kann nämlich jeder und überall, und es reicht völlig, wenn man das Licht nicht zum Malen einsetzt, sonder es einfach nutzt. Wer über die Smartphone-Knipserei hinaus gehen will, der wird sich schon seine eigenen Gedanken machen. Oder die richtigen Fragen stellen und hoffentlich Antworten finden, die nützlich sind statt nur Bildungshuberei.
Also: Dann male ich jetzt auch mal mit Licht. Diese Woche ist nämlich die Rechnung gekommen für die neue Beleuchtung, die seit zwei Jahren in unserer Straße steht. Und bevor ich zu lange darüber nachdenke, warum die ewig klamme Stadt zwei Jahre braucht, um ihre Außenstände einzutreiben (und mich frage, ob in unserem Anliegerbeitrag von 75 Prozent auch noch Verzugszinsen enthalten sind), gehe ich lieber mit der Kamera vor die Tür und arbeite mich an den Halogenlampen ab.
Malen mit Licht geht nämlich auch ganz wörtlich: Indem man eine lange Belichtungszeit einstellt und die Kamera bewegt. So kommen Streifen zustande, denen man mit etwas Glück künstlerischen Wert oder sogar Bedeutung beimessen kann. Aber mir geht es ja mehr um das Nützliche, also gibt es hier einen Malen-mit-Licht-Tipp, besser drei.
Erstens: Nicht zu lange belichten, sonst wird es unübersichtlich im Bild. Mein Foto hier ist mit einer halben Sekunde gemacht.
Zweitens: Kamera schnell und ruckartig bewegen, dann bekommen die Lichtstreifen Richtung und Form.
Drittens: Überlegen, in welche Richtung die Lichtstreifen gehen sollen – und die Kamera dann genau entgegengesetzt bewegen. Hier also ging meine Kamera zuerst ein Stück nach oben, bog dann zackig nach links ab, um sich später in einer sanften Bewegung wieder abwärts zu orientieren. Und warum geht der Lichtstreifen dann abwärts, nach rechts und aufwärts? Weil die Kamera keine eingebaute Laserlampe hat und in die Landschaft malt, sondern sich um das feststehende Licht herum bewegt. Einfaches Beispiel: Stelle ich mit dem mittleren Autofokuspunkt exakt auf die Laterne scharf und ziehe dann die Kamera gerade nach links, bewege ich damit die rechte Hälfte des Sensors an der Lampe vorbei. Darum kann der Lichtstreifen nicht links im Bild entstehen.
Und vielleicht noch ein vierter Tipp: Die Kombination aus mehreren Lichtquellen, die miteinander in Beziehung stehen, kann das Bild nur verbessern. Aber nicht zu viele Lichter nehmen, man sollte sie noch voneinander unterschieden können.
In der Bearbeitung ist man dann relativ frei, weil das ganze Bild sowieso total künstlich ist. Ich empfehle aber, aus dem Schwarz der Nacht ein wirklich tiefes Schwarz zu machen. Mich stört es überhaupt nicht, wenn es so absäuft, dass keine Zeichnung mehr darin zu erkennen ist. Umso knackiger kommen die Lichtstreifen zur Geltung.
P.S.: Mein Bild von gestern ist überdurchschnittlich gut angeklickt worden, wohl wegen der Überschrift „Es gibt etwas zu gewinnen“. Aber am Rätsel hat sich leider niemand beteiligt, vielleicht darum hier ein Tipp: Es geht nicht um klassische Musik, sondern um einen weltbekannten Popsong.