
Normalerweise denke ich nie an den Geburtstag von Ernst Thälmann – ich interessiere mich eher wenig für Arbeiterführer. Aber heute gab es den Auftrag, einen Gedenkstein zu Ehren Thälmanns und der Kommunistischen Partei abzulichten, und ich mag ja die Aufgabe, aus irgendwelchen öden Motiven doch noch ein interessantes Bild zu machen.
Falls sich jemand am 7. Februar stört, der auf dem Stein steht: Später mehr dazu, was das mit Thälmanns Geburtstag zu tun hat, erst einmal ist das Foto wichtig. Man sollte so einen Stein, ein Denkmal, ein Haus, also alles, was einfach nur herumsteht, nicht nur in der Totalen fotografieren. Je langweiliger ein Objekt ist, desto wichtiger ist es, Detailaufnahmen davon zu machen. Man kann auch umgekehrt mit einem Weitwinkelobjektiv nah heran gehen, den Gedenkstein in den Vordergrund nehmen und viel Gegend um ihn herum mit aufs Bild bringen. Alles ist möglich, alles ist erlaubt, und das ganz normale Bild aus der eigenen Steh- und Seh-Höhe herab aufs Motiv, das macht man ja sowieso.
Wenn man einen Auftrag hat, dann ist das auch nötig, vielleicht will der Kunde ja genau so ein Dokument haben. Das ist okay, man darf ihm nur nicht verraten, dass er so ein Foto auch selbst hätte machen und das Honorar dafür hätte sparen können. Im Ernst: Selbst wenn der Kunde ausdrücklich nur ein dokumentarisches Foto beauftragt, würde ich immer noch ein paar Bilder machen, die zeigen, wie ich fotografisch sehe. Im schlimmsten Fall nimmt der Kunde das einfach nur zur Kenntnis, im besten Fall ist er beeindruckt – und im allerbesten Fall beauftragt er mich später wieder oder empfiehlt mich weiter.
Beim Entstehen meines Fotos von heute haben zwei Menschen geholfen: Meine Ehefrau wusste von Thälmanns Geburtstag am 16. April und von dem Brauch, zu diesem Termin Blumen am Gedenkstein niederzulegen. Die prächtigen Nelken im Vordergrund helfen dem Bild natürlich sehr, und sie beweisen mal wieder, wie wichtig Vorbereitung und Recherche sein können. Und dann habe ich seit heute eine Praktikantin – für drei Wochen begleitet mich eine Neuntklässlerin bei der Arbeit, weil sie vielleicht später Fotografin werden will. Da hatte ich also endlich eine Assistentin und konnte meinen Reflektor mitnehmen (sie hat natürlich auch selbst fotografiert, und da habe ich den Reflektor gehalten).
Der Reflektor war nötig, denn die Sonne schien von hinten rechts über den Stein, der seinen Schatten über die Blumen warf. Mithilfe der silbernen Folie aber konnten wir die Blumen sehr gut aufhellen, was dem Bildeindruck sehr geholfen hat. Des weiteren habe ich hier mit Blende 2.8 gearbeitet, was den letzten sichtbaren Rest vom Hintergrund in die Bedeutungslosigkeit befördert. Zudem entsteht durch die Unschärfe im Vordergrund und das sanfte Verlaufen der Inschrift eine schöne Tiefe im Bild.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich in der Bildbearbeitung noch ein paar Verlaufsfilter und Radialfilter eingesetzt habe, um durch gezielte Aufhellung und Abdunklung sämtliche ablenkenden Stellen im Bild zu entfernen. Ebenso habe ich die Schrifttafel mit dem Kopierstempel von ein paar Flecken befreit.
Den entscheidenden Schritt zu meiner Zufriedenheit hat dann noch die Veränderung der Tönung gebracht. Durch die Kraft des Reflektors hatte das Rot der Nelken sehr auf die Bronzetafel abgestrahlt, und ich habe den Tönungsregler daraufhin in Richtung Grün verschoben. Jetzt ist die leichte Rötung nur noch ganz unten zu sehen – und das Grün der Blätter und Stiele hat eine schöne Farbe angenommen.
Und jetzt zu der Inschrift: Sie gilt nicht Thälmanns Geburtstag, sondern einer illegalen Tagung der Kommunistischen Partei an dieser Stelle vor 83 Jahren. Das war extrem mutig und verdient in jedem Fall unsere Erinnerung.
Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com