
Heute habe ich zum ersten Mal in meinem Projekt 366 die Kamera aus der Hand gegeben – und doch habe ich meinen Anteil an diesem Bild.
Tatsächlich war es meine Praktikantin, die dieses Porträt gemacht hat. Es zeigt den Fotografen Jakob Kähler bei der Vernissage zu seiner Ausstellung „Take a Second Look“. In der Berliner Konzernrepräsentanz von VW sind 20 großformatige Fotografien Kählers zu sehen, die alle eine Besonderheit haben: Es sind analoge Doppelbelichtungen.
Kähler fotografiert tatsächlich auf Film, und er transportiert nach dem Auslösen den Film nicht weiter, sondern legt noch ein zweites Foto obendrauf. So erhalten die Bilder, in der Ausstellung sind nur Porsche-Sportwagen zu sehen, einen ganz eigentümlichen Zauber. Mehr davon wird morgen, am 22. April, online im Motorkanal der „Welt“ zu lesen sein, und dieses Porträt wird den Text illustrieren.
Bevor wir Kähler gebeten haben, für ein Foto zur Verfügung zu stehen, hatte Elisabeth (die Praktikantin, 14 Jahre, neunte Klasse) die Aufgabe, ein paar Testaufnahmen mit Kamera und Blitz (gegen die Decke gerichtet) zu machen. Dabei sollte sie die ISO-Zahl so anpassen, dass wir es schön hell haben. Vorgegeben hatte ich 1/160 Sekunde (damit nichts wackelt), Blende 5.6 (damit genug Tiefenschärfe da ist) und den Blitz auf 1/4 seiner Leistung (damit noch Luft nach oben ist). Kamera und Blitz befanden sich im manuellen Modus. Damit muss man zwar ein bisschen herumprobieren, aber wenn das erledigt ist, wird alles gut belichtet, und man kann sich dem Modell widmen statt der Technik.
Am Ende sind wir bei ISO 640 und der halben Blitzleistung herausgekommen, was das Bild, wie man sieht, wirklich hell macht. Bildrauschen müsste man mit der Lupe suchen, ich habe jedenfalls nichts davon gefunden.
Dann haben wir die Bildidee gemeinsam entwickelt. Es blieben letztlich nur zwei Stellen im Raum übrig, an denen Bilder hingen, die keine spiegelnde Oberfläche hatten. Hier sollte der Künstler genau zwischen seinen beiden Fotografien stehen, ein paar Schritte nach vorn kommen und freundlich gucken.
Das ist gelungen, ich finde das Bild sehr schön. Wenn ich super-kleinlich wäre (was ich sein kann, wie Elisabeth gelernt hat), würde ich sagen, so 100-prozentig in der Mitte steht der Meister noch nicht, und auch die Kamera befindet sich nicht exakt im rechten Winkel zur Wand – man sieht das, wenn man Ober- und Unterkanten der aufgehängten Fotos genau betrachtet: Sie müssten exakt gerade sein, sind es aber nicht.
Ich freue mich trotzdem sehr über das Bild, denn ich weiß, dass Elisabeth ziemlich aufgeregt war, auch wenn man ihr das vielleicht nicht ansah. Mit einer fremden Kamera in der Hand, die zudem sehr viel mehr wiegt als die eigene, ist es nicht ganz leicht, ein gelungenes Bild abzuliefern. Hinzu kommen die Erwartungen vom Chef (also meine ;-)) und ein gewisser Zeitdruck, weil wir a) wieder weg mussten und b) Kähler auch noch mit anderen Leuten reden wollte.
Aber Zeitdruck ist der ständige Begleiter vieler Fotografen, daran kann man sich nicht früh genug gewöhnen. Wobei die knappe Zeit nicht das Entscheidende ist. Den Unterschied zwischen guten und nicht so guten Fotografen macht die Sorgfalt, mit der sie durch den Sucher sehen.
Das Sucherbild ist viel schwieriger zu beurteilen als das fertige Foto auf dem Monitor oder auf Papier, man muss man also wirklich arbeiten an der Fähigkeit, Details durch ein kleines Rechteck zu entdecken. Am besten gelingt das, indem man fotografieren geht, wieder und wieder und wieder.
Und dann sind natürlich die richtigen Konsequenzen zu ziehen, wenn man Bildfehler im Sucher erkennt – entweder durch neues Ausrichten der Kamera oder durch Kommunikation mit dem Modell: Bitte mal zehn Zentimeter nach rechts, links, vorn, hinten, was auch immer.
Wer sich dieser Mühe unterzieht, bekommt irgendwann seine Belohnung: Bilder,über die die Menschen staunen. Vielleicht klappt das auch bald bei Elisabeth, und dann wäre ich sehr stolz darauf, dass ihr erstes veröffentlichtes Foto hier bei mir zu sehen war.
P.S. 1: Mehr von Jakob Kähler finden Sie auf seiner Homepage – www.double-exposures.de.
P.S. 2: Fremde Kunstwerke einfach abknipsen ist ein No-Go. Darum steht hier der Künstler selbst mit im Bild und verdeckt seine Werke teilweise. Außerdem haben wir die Fotos angeschnitten, normalerweise sind sie breiter.
P.S. 3: Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut Innenaufnahmen werden, wenn man einfach den Blitz an die (weiße) Decke feuern lässt. Ganz softe Schatten unter Nase und Kinn, sehr wenig Brillenschatten und absolut helle Augen – das ist alles schon im unbearbeiteten Originalfoto so.
Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
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Ein Kommentar zu „Porträt mit Porsche“