
Manchmal ist die Kamera dem Auge einfach überlegen, oder? Als ich diesen Innenhof heute zum ersten Mal gesehen habe, da hat die allzeit perfekte Auge-Gehirn-Kombination sofort sämtliche Helligkeitsunterschiede ausgeglichen. Aber das ist nicht immer wünschenswert, und ich dachte, dieses Bild wird besser, wenn es wirklich ein Bild wird. Leider war das zunächst nicht so.
Der Sensor hat nämlich gekämpft. Er hat probiert, über dem quadratischen Loch ganz oben noch Strukturen im Himmel erkennbar zu machen (was geklappt hat), und er hat einiges dafür getan, die dunklen Ecken ganz unten nicht absaufen zu lassen – auch das ist ihm gelungen. Das Ergebnis war ein interessantes Foto, schon wegen der Perspektive, mit überraschend harmonischer Belichtung, aber spektakulär war es nicht.
Hier kommt nun die eigene Vorstellungskraft ins Spiel: Wenn man genau weiß, wie sich so ein Blick durch einen Schacht gen Himmel anfühlt, dann muss er auch so aussehen. Ich wollte, dass der Lichtschacht unten deutlich dunkler ist als oben, also habe ich nicht nur eine Vignette eingesetzt, sondern auch die Schwarztöne abgesenkt, während ich alle helleren Anteile des Bildes verstärkt habe.
Dadurch hat sich dieses intensive Licht ganz oben gebildet, und natürlich sind in der Folge die Strukturen im Himmel verschwunden – ausgefressen, einfach weg. Mithilfe eines Radialfilters um das Quadrat herum habe ich die Wolken zurückgeholt, aber dann wollte ich mal sehen, ob man auch noch etwas Blau bekommen kann.
Den Weißabgleich in die entsprechende Richtung verschieben war das eine, aber richtig gebracht haben es die Farbregler im HSL-Modul von Lightroom. HSL steht für Hues, Saturation, Luminance, was Farbtöne, Sättigung und Leuchtdichte bedeutet. Hier habe ich nur mit Leuchtdichte und Sättigung von Blau gearbeitet: Leuchtdichte nach links macht die Farbe dunkler und damit in diesem Fall sichtbarer. Sättigung nach rechts, na ja, erhöht die Sättigung dieser einen Farbe.
Das Ergebnis war ein natürlicherer Himmel, und als Nebenwirkung gab es diese wunderschöne Tönung der Fensterscheiben. Als ich das gesehen habe, war ich zufrieden.
Mit der Wirklichkeit hat dieses Bild jetzt nicht mehr allzu viel zu tun. Aber mal ganz ehrlich: Wenn ich meine Schritte in der Bildbearbeitung hier nicht ausgebreitet hätte, dann hätte fast jeder Betrachter dieses Foto als normal betrachtet.
Das hat etwas mit unseren Sehgewohnheiten zu tun, die sich angepasst haben an die hoch optimierten Darstellungen von Fotos und Videos in allen Medien, in der Werbung und auch in den privaten Studios, wo wir unsere Porträtfotos machen lassen.
Man kann darüber so und so denken. Ich habe mich dafür entschlossen, nicht gegen die Sehgewohnheiten der Leute zu arbeiten. Lieber arbeite ich mit den Fotos und damit für sie. Und zwar so lange, bis sie nicht nur gut aussehen, sondern richtig gut.
…und das i-Tüpfelchen ist für mich, dass der Innenhof an zwei Ecken diese Abschrägung hat. Das macht es um eine Achse weniger statisch. Nach Sternchen und „gefällt mir“ hier noch die Daumen 👍🏻👍🏻.
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Danke, Klaus, da hat sich das Überstrecken des Halses ja gelohnt 😉
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