Schönes Spiel


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Ball der Fußball-EM 2016, Königs Wusterhausen/D                    ©Stefan Anker

Man muss vielleicht auch mal etwas zur Fußball-EM machen, oder? Ich bin in den Besitz eines EM-Balls gekommen und habe mich heute, am letzten Spieltag der Vorrunde, etwas näher damit befasst. Das bescherte mir überraschende Erkenntnisse, die ich sogleich fotografisch umsetzen musste.

Das Wichtigste, was ich gelernt habe: Der Ball wird heute in Frankreich zum letzten Mal benutzt, für die K.O.-Spiele gibt es tatsächlich ein neues Modell mit anderem, aggressiverem Design. Neben anderen Farben wird dort, wo auf meinem Ball „Beau Jeu“ steht, fortan „Fracas“ stehen. Das bedeutet „Lärm“ und soll dem temperamentvolleren Charakter der Ausscheidungsspiele entsprechen, während „Beau Jeu“ einfach nur „schönes Spiel“ heißt.

Aber waren es schöne Spiele? Das 3:3 zwischen Ungarn und Portugal heute war schön, ja, auch das 2:0 der Italiener neulich über Belgien. Aber sonst? Ich habe nicht alles gesehen, aber von allem, was ich gesehen habe, blieb mir auch einiges an Zurückhaltung in Erinnerung. Spielen mit gebremstem Schaum. Das ist dem neuen Modus geschuldet: 24 Mannschaften in sechs Vierergruppen – wenn man daraus ein Achtelfinale bilden will, bleiben 16 Teams übrig, nur acht scheiden aus. So hat sich die Haltung der Spieler zumindest unbewusst geändert. Während man früher (in einem 16er-Feld, aus dem acht Mannschaften fürs Viertelfinale übrig blieben) möglichst schon im ersten Spiel der Vorrunde siegen wollte, um später seine Ruhe zu haben, galt es 2016, möglichst nicht zu verlieren.

Das ist ein Unterschied, der aus einem „Beau Jeu“ auch ein ziemlich zähes Match machen kann. Vielleicht steht deshalb der „Beau-Jeu“-Schriftzug nur sehr dünn auf dem Ball und ist wohl das Erste, das beim Spielen abgewetzt wird – also habe ich überlegt, wie ich es hinbekomme, dass man ihn wenigstens fotografisch angemessen würdigt. Dass man ihn auf dem Bild nicht nur lesen kann, sondern dass er auch die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient.

Die erste Entscheidung war, den Ball nicht komplett aufs Bild zu nehmen. Ein Ball ist so etwas Vertrautes, dass man ihn auch als Ball erkennt, wenn er angeschnitten abgebildet wird. Das kann man mit vielen anderen vertrauten Dingen (auch Menschen) ebenso machen, und es bringt sogar Spaß. Ein kühner Bildschnitt ermöglicht einen neuen Blick auf die Dinge.

Die zweite Entscheidung war, den Schriftzug „Beau Jeu“ möglichst unmerklich, aber doch effektiv besser zu beleuchten als den Rest des Balles. Puristen, die wie ich eine Analog-Vergangenheit haben, müssen jetzt ganz tapfer sein: Ich habe das nicht mit Reflektoren und Blitzen erledigt, sondern mithilfe der Bildbearbeitung.

Es kam mal wieder mein Lieblings-Goodie in Lightroom zum Einsatz, der Radialfilter – und das gleich dreimal. Der erste liegt exakt um den Ball herum, lässt innerhalb seines Radius alles unangetastet und dunkelt das Bild jenseits seiner Grenzen leicht ab. Dasselbe macht der zweite Filter, der den Schriftzug „Beau Jeu“ zum Mittelpunkt hat und in etwa die Fläche zwischen der „1“ und der „6“ abdeckt.

Der letzte Radialfilter ist nicht rund, sondern oval und umfasst nur den Schriftzug selbst. Da mit dem Abdunkeln der Flächen außerhalb der Filter das ganze Bild etwas zu dunkel wurde, habe ich es insgesamt mit dem Belichtungsregler wieder aufgehellt, was dann die leichte Betonung des Schriftzuges ergibt. Man sieht das nicht, wenn man es nicht erklärt bekommt, aber das ist auch gut so – es soll nur eine eher unterbewusst blickführende Wirkung haben. Im Vergleich mit dem Originalbild wird der Unterschied aber deutlich.

Apropos Unterschiede: Der Ball, den ich besitze, ist nur das Replica-Modell, unverbindliche Preisempfehlung laut Adidas 34,95 Euro (gesenkt auf 23,95). Der „offizielle“ Spielball kostet 97,95 Euro (UVP: 139,95), wird im Adidas-Onlineshop euphorischer beschrieben, aber die technischen Unterschiede bleiben für mich im Dunkeln. Wenn ich zwei Bälle mit 100 Euro Preisunterschied im Angebot hätte, dann würde ich den Fanatikern, die den teuren Ball kaufen, mehr heiße Details geben, mit denen sie die Ausgabe vor sich selbst rechtfertigen können.

Aber ich bin ja nur Fotograf.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

 

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