
Die Kunst ist ja praktisch überall, selbst am Yachthafen kann man sie finden. Mich hat diese angelnde Figur heute unwiderstehlich angezogen. Und als ich nach dem Fotografieren erfuhr, worum es bei dem Kunstwerk eigentlich geht, da war ich sogar richtig froh, dass „Der Stellvertreter“ heute mein Bild des Tages ist.
50 Skulpturen und Installationen sind in der winzigen Stadt Soeby und ihrem Hafen verteilt, seit dem 1. Juni stehen sie da, am 1. September werden sie wieder abgeräumt. Es sind Werke von professionellen Künstlern und Amateuren, von Einheimischen und Zugereisten (die Insel Aeroe, an deren Nordspitze Soeby liegt, hat eine Kunstakademie).
Ich mochte am „Stellvertreter“ einfach die Tatsache, dass dort eine gestiefelte und behandschuhte Anglerhose ohne Angler steht, in gespannter Haltung, als hätte sie einen fetten Fisch am Haken. Der Künstler Kristoffer Martensen, der die Skulptur aus Gasbetonsteinen geschaffen hat, sieht sein Werk als eine „Hommage an den Alltag und an das Recht, ein professioneller Amateur zu sein“. Das hat mir gut gefallen, vor allem, weil dann noch ein schöner Nachsatz kam: „Bis ich Zeit dafür bekomme, selbst dort zu stehen.“
Der Titel „Stellvertreter“ ist also ziemlich wörtlich gemeint, der Künstler wäre offenbar gern ein Angler, muss sich aber noch mit der Kunst herumschlagen (oder mit einem Job als Versicherungsvertreter, wer weiß das schon, ich weiß jedenfalls nichts über Kristoffer Martensen). So steht die Hose ohne Inhalt für den einen Traum, den viele von uns haben – manche machen ihn wahr, manche nicht, und Martensen thematisiert ihn wenigstens in seiner Kunst.
Das alles wusste ich allerdings nicht, als ich anfing, die Skulptur zu fotografieren. Da war mir nur wichtig, dass man ihre Haltung erkennen kann, und dass sie sich irgendwie abhebt von dem Gewirr der Masten und der Takelage im Hintergrund. Segelyachten können ein schönes Motiv und auch eine schöne Kulisse sein, hier war ich jedoch daran interessiert, so wenige wie möglich im Bild zu haben.
Ich bin also ein paarmal um die leere Hose herumgelaufen, habe immer wieder fotografiert und war lange nicht zufrieden. Bis mir einfiel, dass ich ja auch noch die Bildbearbeitung mit Lightroom würde nutzen können. Nicht um irgendwelche Boote zu retuschieren (ich habe nur ein Teil aus der Takelage entfernt, das wie ein Sensorfleck aussah), sondern um das Foto in schwarzweiß umzuwandeln.
In Schwarzweiß entfällt das Blau des Himmels, es ist das Gelbbraun der Masten nicht mehr zu sehen, und die bunten Fähnchen lenken auch nicht mehr ab. Es ist nur noch der „Stellvertreter“ da, und die erkennbaren Boote bilden den maritimen Hintergrund, den ein Angler gut gebrauchen kann. Auch die schwere Kette vor den Füßen der Figur stört mich nun nicht mehr – zeigt sie ihm doch an, wo die Kaimauer aufhört, womit sie auch fürs Bild einen Sinn hat. Nur der Handlauf links von meinem Angler müsste nicht sein, aber man kann in den Ferien auch nicht alles haben.
Am Ende habe ich das Bild ins quadratische Format gebracht, um noch weniger von der Skulptur abzulenken, und ich habe versucht, die leuchtende Helligkeit der Figur im Sonnenlicht zu erhalten und den Rest des Bildes abzudunkeln. Das gelang vor allem mithilfe der Gradationskurve, besonders hilfreich war zusätzlich der Blau-Regler der Schwarzweißmischung. Zieht man ihn nach links, verdunkeln sich im Schwarzweißbild die Stellen, die im Farbbild noch blau waren. Hier konnte ich also mit wenig Aufwand einen guten Kontrast zwischen der Figur und dem Himmel erzielen.