
Wir hatten heute Freunde zu Besuch, und die wussten mal wieder sehr genau, was gut für mich ist: eine Tüte „Wohlenberg Lakridsblanding“. Ich liebe Lakritz seit meiner Kindheit, und die Dänen können einfach am besten mit dieser speziellen Süßigkeit umgehen. Ich habe daher meiner Lakridsblanding (Lakritzmischung) ein kleines fotografisches Denkmal errichtet. Und will dazu drei wichtige Themen der Makro-Aufnahme erörtern.
Erstens: Schärfe. Das ist für mich extrem wichtig bei Nahaufnahmen, weil erstens der Bereich der Tiefenschärfe extrem klein ist (in meinem Lakritzfoto ist es etwa ein Zentimeter), und weil es zweitens dann und wann Unstimmigkeiten zwischen Fotograf und Betrachter darüber gibt, wo denn die Schärfe liegen sollte. Ich habe mich in diesem Bild zunächst für Blende 8 entschieden, um überhaupt den erwähnten Zentimeter Tiefenschärfe zu bekommen, und dann habe ich die Lakritze so angeordnet, dass ich auf das Teil mit der rosa Schaumzuckerfüllung scharf stellen konnte. Rosa (auch Orange oder natürlich Rot) hat so eine Signalwirkung, dass die Menschen automatisch zuerst darauf schauen, und dann ist es eigentlich keine Frage mehr, wo der Schärfepunkt liegen sollte. Merke: Bei der Makrofotografie keine Experimente mit den Sehgewohnheiten machen, das bringt nichts.
Zweitens: Schärfe. Selbst wenn man die Voraussetzungen aus Punkt eins geschaffen hat, kann es noch passieren, dass ein Makrofoto leicht unscharf wird. Eine Möglichkeit dafür ist, dass das Objektiv einfach nicht die nötige Schärfeleistung bringt. Von speziellen Makroobjektiven ist das eher nicht bekannt, aber es gibt auch normale Zooms mit Makro-Funktion, und da kann es sein, dass die Geräte an ihre optischen Grenzen stoßen. Eine spezialisierte Festbrennweite ist zumindest vorzuziehen. Wenn es an der grundsätzlichen Qualität des Objektivs nicht liegt, kann man noch prüfen, ob Kamera und Objektiv optimal aneinander angepasst sind. Viele Spiegelreflexkameras (längst nicht nur der höchsten Preiskategorie) bieten die Möglichkeit, den Autofokus für jedes einzelne Objektiv neu zu justieren. Man braucht dazu einen Blick in die Bedienungsanleitung, ein Stativ, ein Motiv mit Zentimetermaß (z.B. einen Zollstock) und eine Mußestunde für viele Testaufnahmen. Zuletzt kann eine technisch bedingte Unschärfe im Makro auch mit der falschen Blendenwahl zu tun haben. Auch wenn sich mit jedem weiteren Schließen der Blende der Bereich der Tiefenschärfe ausdehnt: Spätestens ab Blende 11 schlägt die Beugungsunschärfe sichtbar zu, die dadurch entsteht, dass Lichtstrahlen von der immer enger werdenden Blende abgelenkt werden und nicht mehr exakt dort auf den Sensor fallen, wo man sie gern hätte. Ich hatte darüber schon einmal beim Thema Focus-Stacking geschrieben, und ein Bildbeispiel zur Beugungsunschärfe findet sich sehr anschaulich hier auf Wikipedia. Beugungsunschärfe ist gewöhnlich kein großes Thema, und sie lässt sich in normalen Bildern kaum jemals mit dem bloßen Auge erkennen. Aber bei Nahaufnahmen von kleinen Objekten, wenn es auf den Millimeter ankommt, spielt Beugungsunschärfe durchaus eine Rolle. Ich persönlich gehe bei Makros selten über Blende 11 hinaus
Drittens: Schärfe. Die beklagte Unschärfe kann auch von einem Fehler beim Fotografieren herrühren. Weil der Schärfebereich eben so verletzlich eng ist, machen ganz leichte Vor-und-zurück-Bewegungen des Fotografen schon etwas aus – jedenfalls dann, wenn man im normalen Fokussiermodus arbeitet. Dabei stellt man scharf, die Kamera piept, und man drückt ab. Was aber, wenn sich zwischen Piepton und Abdrücken der Abstand zum Motiv um fünf Millimeter verändert hat? Dann sitzt die Schärfe halt nicht. Dem begegnet man, indem man den Autofokus auf kontinuierliche Schärfenachführung umstellt. Dieser Modus ist normalerweise dafür gedacht, bewegliche Motive zu verfolgen, aber man kann ihn auch umgekehrt dafür nutzen, dass er die Bewegungen der Kamera ausgleicht. Wenn alles nichts hilft, setzt man die Kamera auf ein Stativ und schaltet den Autofokus ab. Dann nutzt man den Live-View-Modus, nimmt also nicht den Sucher zur Schärfekontrolle, sondern das Kameradisplay. Hier kann man das Bild zunächst fünffach und dann zehnfach vergrößern und versucht nun, manuell gaaaanz vorsichtig am Schärfering des Objektivs ein scharfes Bild zu erzeugen. Das einzige, was jetzt noch den Erfolg zunichte machen kann, ist der Bildstabilisator im Objektiv oder in der Kamera. Der ist gelegentlich verwirrt von der Ruhe auf dem Stativ und versucht trotzdem, sich irgendwie nützlich zu machen, was zu einem verwackelten Foto führen kann. Steht also die Kamera auf dem Stativ, muss der Bildstabilisator ausgeschaltet sein.
Und niemand hat gesagt, das Leben wäre einfach 😉
P.S.: Aufmerksame Süßigkeits- und/oder Dänemark-Experten haben entdeckt, dass im Hintergrund meines Fotos noch eine Packung Ga-Jol steht. Die gehört nicht zu der Lakritzmischung, aber sie gibt dem Bild Halt nach hinten sowie die nötige Tiefe. Außerdem darf Ga-Jol beim Thema dänisches Lakritz auf keinen Fall fehlen.