Meine Porträt-Theorie


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Land-Rover-Designerin Amy Frascella, Paris/F                    ©Stefan Anker

Eine beliebte Frage: Was ist ein Porträt? Nur das Gesicht? Oder der Mensch in seiner Arbeitsumgebung? In irgendeiner Umgebung? Und muss er dann nicht wenigstens absichtlich in die Kamera sehen? Oder sich wenigstens der Tatsache bewusst sein, dass er fotografiert wird? Meine Antwort darauf lautet: Die Kunst ist frei.

Okay, ich betrachte mich ja nicht als Künstler, aber ich denke, die Bedeutung dieses Satzes ist klar: Der Kreative kann sich gerne seine eigenen Regeln machen, nach denen er arbeitet. Wenn es die falschen Regeln sind, dann wird er es schon merken, meistens an mangelndem Zuspruch.

Und meine Regel in Sachen Porträt ist: Jedes Foto, das einen Menschen in den Mittelpunkt der Bildaussage stellt, ist ein Porträt. Insofern habe ich hier also Amy Frascella porträtiert, die Chefdesignerin der Abteilung Colour & Materials bei Land Rover. (By the way: Diese Position haben immer Frauen, ich habe noch nie einen Mann kennen gelernt, der bei irgendeiner Autofirma verantwortlich wäre für Stoffe und Farben im Interieur.)

Sie präsentierte heute anlässlich des Pariser Autosalons ihre Arbeit am neuen Land Rover Discovery vor einer Gruppe von Journalisten. Und als ich sie so sprechen sah vor der Wand mit den Farb- und Sitzbezugsmustern, da dachte ich mir: Hocke dich doch mal hin und warte, bis sie in deine Richtung schaut.

Da ich zur Automesse nur mein Weitwinkelzoom mitgebracht habe (ich bin hier eher als Autor eingesetzt und fotografiere nur nebenbei), musste ich mich natürlich um einen anständigen Vordergrund kümmern, und was lag näher, als die Beispiele ihrer Arbeit gewissermaßen auf Amy Frascella zulaufen zu lassen.

Sie hätte noch ein bisschen dichter an der Wand stehen können, aber in solchen Reportagesituationen darf man dann auch nicht päpstlicher sein als der Papst, sondern muss auch mal nehmen, was man kriegen kann. Hauptsache abdrücken, verwerfen kann man das Foto später immer noch. Wer aber zu lange zweifelt, verpasst garantiert ein paar gute Gelegenheiten.

Weil mein Motiv in diesem Weitwinkelbild natürlich nicht zu dominant da steht, habe ich später in der Bildbearbeitung noch nachgeholfen. Die Designerin hat per Radialfilter eine Portion Extra-Licht bekommen, den Rest (vor allem die Journalisten links von ihr) habe ich teils kräftig abgedunkelt. Jetzt zeigen nicht nur die Sitzpolster in ihre Richtung, jetzt sagt auch die Lichtsetzung, wer auf diesem Bild wichtig ist.

Das Foto ist übrigens in dem abgedunkelten und mit Scheinwerfern beleuchteten Meetingraum eines Hotels entstanden, da darf man dann auch nicht zu lange mit der ungünstigen Beleuchtung hadern. Man muss sehen, dass die Menschen, um die es geht, nicht gerade mit dem Gesicht im Schatten stehen, wenn man abdrückt, und der Rest wird sich finden.

Reportagefotos unter Kunstlicht haben zudem den Vorteil, dass man in der Bearbeitung noch ganz gut an Weißabgleich, Sättigung/entsättigung und Kontrasten schrauben kann. Weil die Lichtsituation ohnehin künstlich war, muss man sich nicht zu sehr um Natürlichkeit kümmern, sondern kann ruhig alles für die Erkennbarkeit des Motivs tun.

Und wenn man das geschafft hat, dann darf man so ein Bild auch ein Porträt nennen.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

3 Kommentare zu „Meine Porträt-Theorie

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