
Diese Woche arbeite ich täglich in der Redaktion der „Welt“ mit, und da lag es nahe, mich mit der Kamera mal um die Skulptur „Balanceakt“ zu kümmern. Sie ist ein Werk des Bildhauers Stephan Balkenhol, steht seit 2009 vor dem Verlagsgebäude der Axel Springer SE und soll neben anderem an die Schwierigkeit erinnern, die Freiheit zu erhalten. Wer mehr dazu wissen will, den verweise ich auf die entsprechende Wikipedia-Seite. Hier geht es mehr um die fotografische Herausforderung, und die liegt bei solchen Motiven natürlich auf der Hand:
Der balancierende Mann wird stets und ständig fotografiert, man muss also irgendwie ein Bild finden, das noch nicht so oft gemacht worden ist. Darum bin ich nach Feierabend hingegangen und habe die blaue Stunde ausgenutzt, das eliminiert in der Regel alle konkurrierenden Fotografien, die mit einer kleinen Kamera oder einem Handy gemacht werden. Sie klappen entweder gar nicht oder sehen wegen des hohen ISO-Wertes auf kleinem Sensor sehr verrauscht aus.
Weil ich zwar mit Kamera, aber ohne Stativ ins Büro gehe, habe ich bei ISO 1600 fotografiert, mit Blende 4 und 1/25 Sekunde. Wegen der Gegenlichtsituation ist das Gesicht des Mannes aus Beton etwas dunkel geworden (aber es ist sowieso eher schwarz als weiß), ich habe es in der Bildbearbeitung mit einem Radialfilter um eine Blendenstufe aufgehellt. Ganz erkennen muss man es nach meiner Auffassung hier ohnehin nicht, wichtiger ist die Silhouette. Sie kommt sehr gut zur Geltung, weil ich eine Position gefunden habe, in der nur der Himmel hinter dem Mann zu sehen ist und keine störenden Häuser zum Vorschein kommen. Nur zwischen seinen Beinen ragten die Zweige eines nahen Baumes ins Bild, die habe ich dann weggestempelt. Der einzige Nachteil ist, dass der Mann das linke Bein über dem Abgrund schweben lässt und nicht das rechte. Vielleicht mache ich dasselbe Foto irgendwann noch einmal mithilfe einer Leiter, um die Kamera zumindest auf Fußhöhe des Mannes zu bekommen – dann würde allerdings das Verlagsgebäude nicht mehr so schön auf den Betrachter zu stürzen. Wegen des freien Beines kann man den „Balanceakt“ natürlich auch von der anderen Seite fotografieren – aber dann liegt hinter der Statue das Verlagsgebäude, und im Dunkeln wären Motiv und Hintergrund kaum noch voneinander zu unterscheiden.
Ich sage also mit dem balancierenden Mann: Hier stehe ich und kann nicht anders.