
Das wird dieses Auto nie wieder erleben: Wie bei jeder Pressepräsentation eines SUVs gab es auch für den neuen VW Tiguan einen Parcours, auf dem er seine Offroadqualitäten beweisen konnte. Nur dass die Mehrzahl seiner künftigen Besitzer sich nicht mal trauen würde, ein Gefälle wie auf diesem Foto in Angriff zu nehmen – und dann noch ohne befestigte Straße, das geht ja gar nicht.
Trotzdem werden Autos mit Offroadqualitäten gekauft wie blöd. Ich selbst will so einen Wagen (noch) nicht haben, aber zum Fotografieren eignen sie sich allemal sehr gut, weil man dem nagelneuen Hochglanzprodukt eine etwas ruppige Umgebung als Kontrast zuordnen kann. Meine Lieblings-Offroadproduktion der jüngeren Vergangenheit ist die vom Bentley Bentayga, einem Mehr-als-200.000-Euro-Auto, das wir in Sachen Offroad deutlich härter gefordert haben als hier den Tiguan.
Beim neuen VW war der sehr helle Himmel unter Abwesenheit der Sonne die besondere Herausforderung – nicht unbedingt beim Fotografieren selbst, aber hinterher in der Bildbearbeitung. Die geschlossene Wolkendecke wirkte wie eine gigantische Softbox und hat viel zu helle Stellen auf dem blauen Metalliclack und auf der Windschutzscheibe hinterlassen. Um wieder einen einigermaßen homogenen Eindruck des Autos zu erzeugen, habe ich insgesamt fünf Radialfilter eingesetzt – das sind Kreise und Ovale in beliebiger Form und Größe, die man mit einem Bearbeitungseffekt belegen kann, in meinem Fall waren das teils Abdunklungen, teils Aufhellungen (an der Seite). Und ganz zum Schluss kam noch ein großer Radialfilter über das ganze Auto, der es insgesamt um eine viertel Blendenstufe aufgehellt hat.
Des weiteren habe ich mit Sättigung und Luminanz (Leuchtdichte) des Blautons gespielt,um eine gute Mischung aus Originaltreue und Auffälligkeit zu erreichen – vor allem weil ich den Weißabgleich des Fotos so verändert habe (in Richtung Wärme), dass der Sand noch eine Farbe aufweist und nicht einfach grau ist. Wenn jemand sagt, meine Bearbeitung mache das Bild ein wenig künstlich: Ja, kann sein. Mir geht es hier jedoch mehr um die Inszenierung als um Dokumentation. Am liebsten würde ich so ein Foto mit einer oder zwei mobilen Studioleuchten machen (die ich noch kaufen müsste), und dann sieht es auch nicht unbedingt echt aus – aber toll.
Vielleicht noch ein Wort zum Motiv selbst: Es hilft immer, die Angebote, die einem die Umgebung macht, auch anzunehmen. Will sagen: Es wäre in diesem Fall absolut töricht gewesen, den Steinstapel, den jemand so liebevoll aufgeschichtet hat, nicht ins Bild zu integrieren. „Vordergrund macht Bild gesund“, heißt es etwas hölzern in vielen Foto-Ratgebern. Ohne Reim gesprochen: Vordergrund schafft Tiefe, und wenn man nicht ein einfaches grafisches Muster (Büroklammer von oben o.ä.) inszenieren will, dann hilft Tiefe eigentlich jedem Foto.
Und wer sich nicht nur für das Bild, sondern auch für das Auto interessiert, der findet meinen Fahrbericht hier in der „Welt“.