
Zurück zur Natur. Nach meiner New-York-Reise musste ich mal wieder mit der Kamera durch unseren Garten streifen, und statt der großen weiten Welt kommt heute mal das Große im Kleinen zum Tragen. Makroaufnahmen haben ihren ganz eigenen Zauber – ihre Tücken haben sie allerdings auch.
Um vielleicht zunächst eine Begriffsklärung anzubieten: Nur weil man dicht an ein Motiv herankommt, erhält man noch keine Makroaufnahme. Makro-Objektive haben nicht nur eine niedrige Naheinstellgrenze (bei meinem sind es 30 Zentimeter), sondern sie bilden das Motiv dann auch mindestens im Maßstab 1:1 ab.
Will heißen: Der Kelch dieser Wiesenglockenblume hier hat einen Durchmesser von weniger als zwei Zentimetern, und durch die Kombination aus geringer Naheinstellgrenze und langer Brennweite (100 Millimeter) bekomme ich diesen Kelch in Originalgröße auf den Sensor. Weil das so ist, macht der Kelch jede Vergrößerung mit, die die Sensor-Auflösung hergibt, und so könnte ich dieses lila Blümchen am Ende auch in A2 an die Wand hängen.
Man möge dasselbe versuchen mit einem Fisheye-Objektiv – damit kommt man zwar auf wenige Zentimeter ans Motiv heran (Weitwinkelobjektive haben generell eine niedrige Naheinstellgrenze), aber die ultrakurze Brennweite lässt eben noch sehr viel mehr als nur das kleine Blümchen mit aufs Bild. Und mit üblichen Teleobjektiven, die den Bildausschnitt sehr klein machen, kommt man wieder nicht nah genug heran. Mein 70-200-Zoomobjektiv hat eine Naheinstellgrenze von 1,20 Metern. Rücke ich dichter ans Motiv, wird es unscharf, immer.
Wenn ich also wirklich etwas Kleines sehr groß abbilden möchte, dann brauche ich ein spezielles Makro-Objektiv, nämlich eins mit geringer Naheinstellgrenze und gleichzeitig langer Brennweite. Umgekehrt gilt: Hersteller können zehnmal „Makromodus“ auf Objektive oder Kompaktkameras schreiben – wenn sie den Maßstab 1:1 nicht erreichen, dann werden sie das Kleine niemals wirklich groß zeigen können, und dann ist es eben auch kein wirkliches Makro.
Eine weitere Besonderheit der Makro-Aufnahme ist ihre sehr geringe Tiefenschärfe. Es gibt drei technische Voraussetzungen für eine geringe Tiefenschärfe, nämlich lange Brennweite, kurze Entfernung zwischen Motiv und Objektiv sowie offene Blende. Zwei dieser drei Voraussetzungen sind bei Makro-Aufnahmen immer erfüllt, und sie wirken so stark, dass auch das Schließen der Blende keinen besonders großen Effekt hat.
Deswegen fotografiert man Makros sehr gern mit Stativ, um die Schärfeeinstellung nicht dem Autofokus zu überlassen, sondern das manuell und mithilfe des Displays der Kamera zu erledigen – da kann man sich das Bild nämlich in zehnfacher Vergrößerung ansehen.
Habe ich das hier gemacht? Nein, ich war zu faul, und mein Stativ kommt auch nicht so dicht an den Boden. Ich lag also mal wieder auf dem Bauch und habe die Kamera sehr fest gehalten (mit auf den Boden gestützten Ellbogen), denn ein Makro ist auch schnell mal verwackelt. Einmal wegen der Kombination aus geringer Entfernung und langer Brennweite, zum anderen, weil so eine Blume sich auch im Wind bewegen kann.
Aber es war relativ windstill heute Abend, und für meine eigenen kleinen Vor- und Zurückbewegungen (die der Bildstabilisator des Objektivs nicht ausgleichen kann) habe ich den Autofokus auf AI-Servo gestellt – damit er die Schärfe automatisch nachführt, egal wie sich die Kamera bewegt.
Das hat dann nach ein paar Versuchen auch gut geklappt, dennoch bleibt der Schärfebereich natürlich sehr klein. So wie man bei Porträts die Augen anvisiert und dann oft schon die Nasenspitze und die Ohren unscharf werden, zielt man gewöhnlich bei Blüten auf den Stempel in der Mitte – um dann festzustellen, dass längst nicht die ganze Blüte scharf wird.
Manchen gefällt diese selektive Schärfe sehr gut, andere stören sich auch daran. Abhilfe schafft da nur das sogenannte Fokus-Stacking mithilfe von Computer und Software. Das will ich aber hier nicht erklären, sondern lieber morgen zeigen. Ich habe nämlich heute noch eine andere Blume im Garten gesehen, mit der das sehr gut funktionieren kann.
Also bitte morgen wieder hier auf MalAugeFragen nachschauen. Danke.
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