
Wenn mein erster Chefredakteur noch lebte, er würde nicht gutheißen, was ich heute hier poste. Denn er hatte einen Leitsatz: „Langweilt eure Leser nicht mit euren Sorgen, die interessieren sie nicht.“ Ich versuche auch, das zu beherzigen, aber heute mache ich mal eine Ausnahme – weil mein alter Chef eine Sache nicht wissen konnte.
Ich glaube, er ist irgendwann in den Neunzigerjahren gestorben, jedenfalls ist ihm der Triumphzug von Internet und Social Media nie bekannt geworden. Und damit konnte er auch nicht wissen, dass es eines Tages ganz normal sein würde, alle Welt mit seinem privaten Kram zu behelligen.
Wie ich einen neuen Nagellackentferner auspacke. Was ich beim Justin-Bieber-Konzert trage. Wo ich gerade bin. Alles wird von jedem permanent mitgeteilt, und offensichtlich ist das gerade nicht langweilig, sonst würden ja nicht so viele Leute zusehen, lesen, liken, kommentieren.
Also bin heute ich mal dran: Es war ein Tag mit viel zu viel Arbeit, ich bin nicht dazu gekommen, mir über ein konkurrenzfähiges Foto auch nur Gedanken zu machen, also habe ich schnell das Beweisbild meiner Arbeitslast gemacht: Es handelt sich um die untere linke Ecke meines iPhone-Displays – und ja, das ist die Zahl der E-Mails, die ich heute noch nicht beantwortet oder wenigstens gelöscht habe.
Ich will mich nicht wichtiger machen, als ich bin, die meisten Mails enthalten schlicht Informationen (Pressemitteilungen etc.) und müssen nicht beantwortet werden. Trotzdem ist es ein Indiz für einen arbeitsreichen Tag, wenn die Zahl in dem roten Feld am Abend dreistellig ist. Gewöhnlich versuche ich, Schritt zu halten. Deswegen schalte ich das Handy auch im Urlaub nicht ab, denn sonst muss ich mich nach zwei bis drei Wochen durch zwei- bis dreitausend Mails kämpfen, was kein Spaß ist.
Der Nachteil ist: Ich schalte niemals ab. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie das ist, keine Mails zu checken. Immerhin arbeite ich seit Jahr und Tag als Journalist, inzwischen sogar freiberuflich, und die Fotografie ist auch dazugekommen. Wie soll ich einem potenziellen Auftraggeber erklären, dass ich seine Mail gerade nicht beantworten will?
So, Jammer-Modus aus, kurz zur Fotografie. Dies ist natürlich wieder ein Makro-Foto, und weil ich fürs Focus-Stacking keine Zeit hatte, habe ich die Sache mit der Tiefenschärfe anders in die Hand genommen: Kamera mit kleinerem Sensor und Blende 22, das ist nicht ganz die reine lehre, aber für dieses Foto hier reicht es.
Zumal man unter der gnadenlosen Lupe des Makro-Objektivs schön die Rasterpunkte des iPhone-Displays sieht (ich habe noch das 5s, beim 6er ist es vermutlich besser).
Die Aufnahme ist vom Stativ aus gemacht, und in der Bildbearbeitung habe ich das Foto dann so gedreht und zugeschnitten, dass oben und unten (möglichst) gleich große Dreiecke das eigentliche Motiv begrenzen. Das hätte auch noch exakter gehen können, aber wie gesagt: Wenn ich dafür Zeit gehabt hätte, dann hätte ich auch wenigstens noch 100 Mails ansehen können.
Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com
Ich hab mal ein sehr ähnliches Foto von meinem 6er gemacht um zu vergleichen. Spontan seh ich jetzt keinen Unterschied. Meines Wissens haben beide ein Retinadisplay, da sollte dann kein Unterschied sein. Ich werd meine Aufnahme noch aufbereiten und dann mal “ Pixel zählen“.
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