Weiterentwicklung


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Rosa Rhododendronblüte, Königs Wusterhausen/D                    ©Stefan Anker

Manchmal lohnt es sich zu warten – das weiß jeder Fotograf. Manchmal dauert allerdings die Wartezeit etwas länger, man kann dann ruhig auch wieder nach Hause gehen und etwas anderes machen. Nur darf man nicht vergessen, rechtzeitig wieder zu kommen.

Ich bin kein großer Gärtner, aber das weiß ich doch, dass Pflanzen sehr langsam wachsen. Also hatte ich mir nach dem Foto von der Knospe unseres Rhododendrons notiert, rechtzeitig zu dokumentieren, was mal daraus wird.

Man sieht am unteren Rand der Blüte, dass ich auch zwei, drei Tage früher mit der Kamera wieder hätte anrücken können, aber für mich ist das okay. So, wie die Blüte jetzt aussieht, ist sie gleichzeitig ebenmäßig und authentisch, also eine Schönheit mit kleinen Macken – was will man mehr?

Vielleicht will man sich selbst als Fotograf auch so weiter entwickeln, wie es eine Pflanze tut. Automatisch immer weiter wachsen, immer bessere Bilder machen, das wäre doch ein schönes Ziel.

Man kann das auch gut erreichen, es ist nur nicht so einfach wie bei Mutter Natur, weil es nicht von selbst kommt. Der Mensch, der seine Fertigkeiten  verbessern will, hat dazu viele Möglichkeiten. Er kann schlaue Blogs lesen, Youtube-Tutorials ansehen oder Workshops besuchen – nichts davon ist falsch. Ich mache das selbst auch, weil ich wissen will, wie andere arbeiten, wie sie optische, gestalterische und technische Zusammenhänge sehen.

Aber all das bringt rein gar nichts, wenn man nicht regelmäßig fotografiert. Dazu muss man kein Projekt 366 ins Leben rufen, man muss nicht mal jeden Tag die Kamera in die Hand nehmen. Aber wer nur einmal die Woche loszieht, um Bilder zu machen, bei dem kann es schon schwierig werden, technische und gestalterische Dinge zu verinnerlichen.

Nehmen wir diese Rhododendronblüte hier. Die ist auf den ersten Blick ein banales Motiv, aber auch so ein Bild muss man sauber fotografieren. Das kann letztlich jeder, aber wenn man über manche Dinge nicht mehr groß nachdenken muss, geht es besser, auf jeden Fall ist man schneller fertig und hat trotzdem ein gutes Ergebnis. Ich zähle hier also mal auf, was mir beim Fotografieren durch den Kopf gegangen ist, allerdings eher unbewusst.

1.) Hell-Dunkel-Beziehung. Wenn ich ein rosafarbenes Motiv habe, achte ich darauf, es eher vor einem dunklen Hintergrund zu fotografieren, damit es später leichter ins Auge fällt.

2.) Tiefenschärfe. Ich muss nicht alles mit größtmöglicher Blende fotografieren. Die Blüte hier ist so groß, dass es albern aussähe, wenn nur ein, zwei Stempel oder Blütenblätter wirklich scharf wären. Ich habe daher um zwei Blendenstufen abgeblendet, um die Blüte überwiegend scharf zu bekommen. Wegen der geringen Entfernung zwischen Makro-Objektiv und Objekt und der recht langen Brennweite von 100 Millimetern ist der Hintergrund trotzdem schön unscharf.

3.) Augenhöhe. Wer hier schon länger mitliest, kennt mein fotografisches Lieblingsthema. Mir ist die Perspektive wichtig, und wenn ich etwas von schräg unten oder schräg oben fotografiere, dann soll das dem Bild auch helfen, seine Geschichte zu erzählen. Wenn ich aber noch nichts über die Geschichte weiß, dann begebe ich mich auf jeden Fall mit meinem Motiv, sei es ein Gegenstand oder ein Mensch, auf Augenhöhe. Das macht das Bild intensiver (auch ohne Geschichte), und es zeigt, dass der Fotograf an diejenigen gedacht hat, die sein Bild sehen sollen. Augenhöhe ist eine Perspektive, die jedem passt, weil sie neutral ist und gleichzeitig Nähe schafft.

4.) Aufteilung. Man muss nicht jede Drittellinie im Bild mit dem Lineal nachmessen, aber ich fand es sinnvoll und harmonisch, die Blüte nicht in der Mitte des Bildes zu platzieren, sondern ihr etwa zwei Drittel in der waagerechten und in der senkrechten Ausdehnung des    Fotos zu geben. Der restliche Raum im Bild ist nur scheinbar nutzlos: Er deutet vielmehr die Ausdehnungsmöglichkeiten an, die die Blüte noch hat. Das ist wichtig, selbst wenn sie sich in natura jetzt nicht mehr ausdehnen wird.

5.) Ordnung. Das Foto ist relativ streng in Sachen Bildaufbau und Perspektive, konsequenterweise hätte ich den jungen hellgrünen Trieb links unten noch ausreißen können. Das hätte dem Bild nicht geschadet, und kein Betrachter hätte mich des Rhododendronfrevels zeihen können, weil es ja niemand gewusst hätte. Ich habe kurz darüber nachgedacht, aber wirklich nur sehr kurz, und mich dann für die natürliche Ordnung der Dinge entschieden. Vielleicht weil das zum leichten Welken der unteren Blütenblätter passt, vielleicht aber einfach nur so – man kann auch bei nachträglichem Grübeln über das eigene Bild nicht immer alles wirklich begründen.

Das kurze Nachsinnen über diese fünf Punkte und das Aufschreiben haben jetzt ungefähr vier Mal mehr Zeit gekostet als das Fotografieren selbst. Habe ich dabei über die eben aufgeschriebenen Dinge ausführlich nachgedacht? Sicher nicht. Aber ich hatte es im Gefühl, so wie die Hausfrau im Loriot-Sketch es eben im Gefühl hat, wann ein Ei weich gekocht ist.

Alle Loriot-Fans wissen, dass das nicht immer klappt, und Pannen passieren auch beim Fotografieren. Aber sie werden weniger, je häufiger und regelmäßiger man mit Kamera und Motiven arbeitet.

Hier im Blog MalAugeFragen dürfen Sie natürlich trotzdem noch ab und zu vorbeischauen.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

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