
Heute gibt es hier mal handfeste Beratung: Was tun, wenn man zum Fotografieren unterwegs ist und feststellt, dass man gern eine längere Brennweite dabei hätte, aber leider zu faul war, das schwere Teleobjektiv mitzuschleppen?
Dann gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Langweilige Bilder mit zu kleinen Motiven machen. Zweitens: Dieselben langweiligen Bilder machen und hinterher eine Ausschnittsvergrößerung machen. Drittens: Kreativ sein.
Ja, manchmal sind nicht nur Bildschnitt und/oder Bildbearbeitung manipulativ, mit Worten gelingt es auch, das Denken in eine Richtung zu lenken. Natürlich wollen wir die dritte Möglichkeit nutzen, denn wer wäre nicht lieber kreativ als langweilig?
Also: Wenn das Motiv uns nicht den Gefallen tut, näher heranzukommen, dann suchen wir uns einen Vordergrund, bilden den mit offener Blende möglichst unscharf ab und erzielen so zwei Effekte: Das Motiv wird scheinbar größer, weil es nicht mehr ganz so verloren in der Gegend herum steht, fährt oder – wie hier – schwimmt. Zweitens: Das Bild erhält Tiefe – nicht wirklich natürlich, denn ein Bild ist halt immer flach, aber unser Gehirn nimmt Tiefe wahr, wenn es unterschiedliche Ebenen in einem Bild erkennt, und wenn die auch nicht alle gleich scharf sind.
Das hier gezeigt Bild habe ich heute Abend gegen 20 Uhr am Ufer des Bodensees in Friedrichshafen aufgenommen. Nach acht Stunden Autofahrt und kurz vor dem Länderspiel Deutschland – Ukraine wollte ich nicht noch mit der ganzen Ausrüstung los, habe mich gegen das Tele-Zoom entschieden und erkannte am Ufer, das das falsch war.
Das Halteverbotsschild, unter dem auch noch das erklärende Wort „Seezugang“ steht, war meine Rettung. Und die weiße Fähre draußen auf dem See tat mir den Gefallen, schön langsam zu fahren, so dass ich Zeit genug hatte, sie genau an der Schnittstelle zweier Drittellinien abzubilden.
In der Bildbearbeitung musste ich später (nach dem 2:0) schon noch ein paar Register ziehen, weil die Sonne um 20 Uhr nicht mehr richtig durch die Wolkendecke gedrungen war. Im Wesentlichen sind es wieder die Erhöhung des Kontrastes und der Sättigung (unter Zurücknehmen der speziellen Blau-Sättigung), außerdem hat der Wolkenhimmel per Verlaufsfilter noch mehr Drama bekommen (Belichtung runter, Kontrast rauf), und das Schiff habe ich per Radialfilter dezent zum Leuchten gebracht.
P.S.: Zum Thema Vordergrund empfehle ich das Durchsehen des Bildbandes „One Night in Rio“ von Paul Ripke. Er hat die Nacht des WM-Finales 2014 dokumentiert, vor allem die Szenen nach dem Abpfiff, aber auch die Siegesfeier später in Berlin. Alles mit einer Leica und Festbrennweite gemacht, 24 Millimeter. Der Mann ist ein Meister des Vordergrunds – und in allem anderen natürlich auch. Wirklich sehenswert.
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