Weiß der Kapitän, was er tut?


Fähre, Schiff, Ostsee, Dänemark, Aeroe, Soeby
Fähre vor der dänischen Insel Aeroe, Soeby/DK                    ©Stefan Anker

Die Frage ist rhetorisch, und alle Fotofreunde, die hier öfter mitlesen, ahnen das wahrscheinlich schon. Jedenfalls hält hier die Fähre nur scheinbar beherzt auf die Mole zu und wird am Ende das steinerne Bauwerk nicht wirklich in Gefahr bringen – das ist nur eine Art optische Täuschung, hergestellt mit einfachen fotografischen Mitteln.

Sie basiert auf einem typischen Effekt der langen Brennweite: Sie lässt die Ebenen im Bild – Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund – enger zusammen rücken. Darum wirkt es hier so, als müsste die Fähre nun langsam stoppen, während sie in Wirklichkeit noch ca. 200 bis 300 Meter vom Hafen entfernt ist.

Diesen Effekt, der schon bei der klassischen Porträtbrennweite von 85 Millimetern zu beobachten ist, und der sich mit zunehmender Länge des Objektivs noch verstärkt, muss man berücksichtigen, wenn man mit Teleobjektiven arbeitet. Ich liebe Landschaftsaufnahmen mit langen Brennweiten, gerade weil sich hier dieser unnatürliche Stauch-Effekt in der Tiefe ergibt. Wer das nicht so liebt, muss mit Weitwinkel- oder Normalobjektiven arbeiten.

Im übrigen kann man nicht auf den Tele-Effekt hoffen, wenn man an einem kleinen Sensor ein Normalobjektiv nutzt. Wer etwa mit Kameras der sogenannten MFT-Klasse fotografiert (MFT = Micro Four-Thirds), die derzeit sehr populär sind, hat es mit einem Sensor zu tun, dessen Bilddiagonale exakt halb so lang ist wie die des Vollformatsensors in großen Spiegelreflexkameras. Das bedeutet, dass ein 50-Millimeter-Objektiv an einer MFT-Kamera denselben Bildausschnitt liefert wie ein 100-Millimeter-Objektiv an der Vollformatkamera.

Es ist nur falsch, hier von „Brennweitenverlängerung“ zu sprechen, denn die Brennweite eines 50-Millimeter-Objektivs bleibt immer 50 Millimeter. Man bekommt also den Ausschnitt eines 100-Millimeter-Objektivs, aber nicht den Effekt, der die Bildebenen dichter zusammenrücken lässt.

Dieses Foto hier habe ich auch nicht mit meiner Vollformatkamera gemacht, sondern mit einer Kamera, die einen sogenannten APS-C-Sensor hat. Dieses Format ist das gängigste für alle digitalen Spiegelreflexkameras, und die Bilddiagonale ist hier (je nach Hersteller) 1,5 Mal oder 1,6 Mal kürzer. In meinem Fall hatte ich 200 Millimeter echte Brennweite zur Verfügung und habe wegen des APS-C-Sensors den Bildausschnitt eines 320-Millimeter-Objektivs erhalten. Weil 200 Millimeter schon einen Stauch-Effekt ergeben, habe ich hier also das beste aus beiden Welten kombinieren können.

Allerdings: Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann besäße ich lieber ein echtes 300-Millimeter-Objektiv (320 gibt es nicht). Das hätte ich dann für dieses Bild ans Vollformat angesetzt und hätte noch weniger Tiefenschärfe gehabt – denn die Größe des Schärfe- bzw. Unschärfebereichs ist tatsächlich mit von der Sensorgröße abhängig (je größer, desto weniger Tiefenschärfe). Andere Effekte (z.B. Verzerrung, Verzeichnung) werden allein dem Objektiv zugerechnet, und sie wirken sich immer gleich aus, ganz egal, was für einen Sensor man hat.

Vielleicht noch ein Wort zur Bildbearbeitung. Durch eine Vignettierung habe ich versucht, einen Fernglas-Look anzudeuten, und dem extremen Postkarten-Blau des heutigen Hochsommertages habe ich ein Spiel mit Weißabgleichsveränderung (Richtung kühl) und Entsättigung bei gleichzeitiger Kontrasterhöhung entgegen gesetzt. So sieht das ganze für mich zugleich ästhetischer und bedrohlicher aus.

Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com

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