
Schwarzweiß statt Schwarz-Rot-Gold – heute hätte ich ein Bild zum Tag der Einheit gemacht, wenn sich eines aufgedrängt hätte. Aber fernab der offiziellen Feierlichkeiten geht das Leben einfach seinen Gang, man freut sich über den freien Tag, und das war’s dann auch. In meiner Stadt Königs Wusterhausen hat sich jedenfalls einheitsfeiermäßig nichts getan, und bis Dresden wollte ich dann auch nicht fahren nur wegen eines Fotos. Immerhin hat das Bild, das ich ausgewählt habe, auch einiges mit Deutschland zu tun.
Obwohl ich natürlich weiß, dass die Amerikaner die Allerverrücktesten sind beim Jagen, gilt mir die Jagd als urdeutsche Beschäftigung. Das hängt mit dem Wald zusammen, auch wenn man ihn hier kaum sieht. Hochsitze werden oft an Feldrändern errichtet, damit der Jäger auch schön freie Bahn zum Schießen hat.
Ehrlich gesagt: Ich bin nicht grundsätzlich gegen das Jagen, ohne Jäger würden zum Beispiel noch mehr Wildschweine durch die Dörfer trotten, weil ihnen die natürlichen Feinde fehlen. Andererseits verstößt die Jagd oft gegen mein Gerechtigkeitsempfinden. Ein alter Schulfreund, der Jäger ist, hat mir mal erzählt, dass er besonders die Pirsch genieße, also dass Verfolgen und Stellen des Wildes im Dickicht. Dabei hat das Tier wohl noch die Chance, geschickter zu sein als der Jäger und sich der Verfolgung zu entziehen. Aber vom Hochsitz aus? Da muss der Mensch nur warten, anlegen, zielen – das Wild weiß noch nicht einmal, dass Gefahr droht, da schlägt die Kugel schon ein. Fair ist anders.
Trotzdem wäre ich gern einmal in den frühen Morgenstunden dabei, wenn die Jäger auf den Hochsitzen warten. Ich habe sogar schon mit einem, dessen Hochzeit ich im Winter fotografieren werde, darüber gesprochen, und vielleicht nimmt er mich mal mit – zum Fotografieren natürlich, nicht zum Schießen.
Möglicherweise bekomme ich dann eine andere Sicht auf das Thema, das ist ja manchmal so, wenn man sich eine Sache direkt ansieht und nicht nur in seinen Vorurteilen recherchiert. Bis dahin aber neige ich dazu, Fotos von Hochsitzen mit einem Hauch Bedrohlichkeit auszustatten.
Wirklich beinharte Fans meines Blogs können sich vielleicht daran erinnern, dass ich diesen Hochsitz schon einmal fotografiert habe, auf dem Höhepunkt der Rapsblüte war das und aus anderer Perspektive – aber auch wenn der Kontrast aus gelbem Raps und blauem Himmel das zentrale Motiv war, so störte doch der Hinweis auf drohende Jagdtätigkeit das Idyll, und ich hatte versucht, diese Störung in der Bearbeitung des Himmels anzudeuten.
Heute bin ich etwas drastischer in Richtung Manipulation gegangen. Schon die Schwarzweißumwandlung deutet Drama an, hinzu kommen die Vignettierung und die Abdunklung der Grauanteile, die im Farbbild blau und grün waren. Dann habe ich über einen Verlaufsfilter von oben nach unten die dunklen Wolken mit mehr Kontrast versehen, und schon beim Fotografieren habe ich auf einen ganz, ganz statischen, geradezu lapidaren Bildaufbau geachtet: Die Grenze zwischen Feld und Wald im Hintergrund liegt exakt auf der unteren horizontalen Drittellinie, die Plattform des Hochsitzes liegt auf der oberen Drittellinie, und der Hochsitz selbst wird von der linken vertikalen Drittellinie durchschnitten. Das Foto ist so perfekt gebaut, dass es schon wieder steril ist – was die ungemütliche Bildwirkung weiter verstärkt.
P.S.: Ich war trotz Verbotsschild sogar oben auf dem Hochsitz – das Schussfeld ist gigantisch, da hat wirklich niemand eine Chance. Waidmannsheil!