
Ich muss noch einmal über Technik sprechen, und ja, Anlass ist wieder die neue Kamera, die ich heute abgeholt habe. Zum ersten Mal überhaupt bin ich beim Fotohändler mit Handschlag begrüßt und verabschiedet worden, das Teil war also teuer. Aber wie es aussieht, ist es sein Geld auch wert, und als erstes Indiz dafür steht der hier abgebildete Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung. Er sieht eigentlich ganz normal aus, eine Makroaufnahme mit sanft verlaufender Unschärfe, die die Schriftzeile, auf die es ankommt, sauber hervorhebt. Man ahnt nur nicht, unter welchen Bedingungen diese Aufnahme entstanden ist.
Ich bin weit davon entfernt, schon alle Finessen der Canon EOS 5D Mark IV ausgelotet zu haben, aber wie man mit so einer Spiegelreflex grundsätzlich umgeht, das weiß ich natürlich, und darum werde ich sie am Wochenende auch schon als Hauptkamera bei einer Hochzeitsreportage einsetzen. Und was mir dafür richtig Mut macht, ist mein Testbild aus der Bedienungsanleitung. Weil es beweist, wie hervorragend die Kamera mit wenig Licht zurechtkommt.
Dieses Bild hier ist in unserer Küche entstanden, am Abend mit eingeschaltetem Deckenlicht, und ich konnte es mit Blende 7.1 und 1/200 Sekunde fotografieren, einfach so und ohne Blitz. Wie das? Weil man die Lichtempfindlichkeit des Kamerasensors, repräsentiert durch den ISO-Wert, inzwischen nicht nur recht hoch einstellen kann, sondern weil sich bei dieser stark erhöhten Lichtempfindlichkeit die bekannten Nachteile (Bildrauschen, Nachlassen der Schärfe) wenig bis gar nicht einstellen. Dieses Bild hier ist mit einem ISO-Wert von sage und schreibe 32.000 gemacht worden, und ich habe hinterher außer Helligkeit und Weißabgleich nichts verändert, also weder nachgeschärft noch Rauschunterdrückung eingesetzt.
Okay, wenn Sie jetzt mit den ISO-Zahlen nicht so viel anfangen können, hier kommt die Erklärung. Standardmäßig sind Kameras auf ISO 100 oder ISO 200 eingestellt, dabei machen sie Bilder, die scharf sind und nicht rauschen. Der Nachteil: Wenn es dunkler wird, benötigen diese Bilder entweder größere Blendenöffnungen oder längere Belichtungszeiten oder beides. Vor allem die Belichtungszeit ist ein Problem, wenn man aus der Hand und nicht vom Stativ aus fotografieren will.
Also erhöht man eben den ISO-Wert. Wer ihn verdoppelt, kann dann auch eine doppelt so kurze Belichtungszeit nutzen. Ist also mit ISO 100 nur 1/30 Sekunde möglich, kann man bei ISO 200 mit 1/60 Sekunde und somit verwacklungssicherer fotografieren. ISO 400 ermöglicht schon 1/125 Sekunde, und mit ISO 800 kann man sogar 1/250 Sekunde einstellen, womit nun Verwacklungen komplett ausgeschlossen sein sollten.
Doch hohe ISO-Werte ziehen höhere Rauschanteile im Bild und sinkende Schärfe nach sich, bei meiner alten 5D Mark II habe ich guten Gewissens eigentlich nur bis ISO 800 fotografiert. ISO 1600 ging noch für Nachtaufnahmen mit Kunstlicht (Straßenbeleuchtung), und nur für Bilder von Rockkonzerten mit buntem Bühnenlicht habe ich auch ISO 3200 genommen. Denn da sind die Gesichter oft sowieso in gleißendes Rot, Grün, Blau oder Gelb getaucht, und dann fällt beim digitalen Entrauschen der typische Begleiteffekt der wächsernen Haut nicht mehr so ins Gewicht.
Und über all das muss ich mir offensichtlich fortan keine Gedanken mehr machen. Denn wenn mein neuer Kamerasensor selbst bei ISO 32.000 noch kleine Schrifttypen in angenehmer Schärfe darstellt, dann sollte jedes blitzlose Innenraumfoto bei der nächsten Hochzeit und allen vergleichbaren Gelegenheiten gelingen.
Spielen wir den Zusammenhang aus Belichtungszeit und ISO-Zahl ruhig weiter durch. Wenn der Belichtungsmesser mit ISO 100 auf 1/30 Sekunde entscheidet, dann kommen wir bei ISO 800 schon auf komfortable Arbeitsmöglichkeiten (siehe oben). Aber damit nicht genug: ISO 1600 führt zu 1/500 Sekunde, die Tausendstel ist erreicht mit ISO 3200, danach kommt 1/2000 Sekunde (ISO 6400), 1/4000 Sekunde (ISO 12.800), und bei 1/8000 Sekunde sagt meine Kamera, dass sie schneller nicht will. Aber mit ISO 25.600 sind wir jetzt eigentlich auch am Ende der Empfindlichkeitsskala. Dass man darüber hinaus ISO 32.000 noch hinkriegt – geschenkt.
Gehen wir die Sache lieber andersherum durch. Also: Nehmen wir an, mein Bild (sie erinnern sich: 1/200 Sekunde) wäre mit ISO 25.600 gemacht worden, und nehmen wir an, der Sensor würde dabei so enorm rauschen, wie das bei vielen älteren Kameras nun mal so ist. Dann müsste ich die Aufnahme womöglich wiederholen mit ISO 12.800 (1/100 Sekunde), mit ISO 6400 (1/50 Sekunde), und wenn ich dann immer noch nicht zufrieden wäre mit dem Rauschen, dann stiege ich ab auf ISO 3200 und müsste spätestens jetzt (1/25 Sekunde) eine Idee haben, wie ich das Problem der Verwacklung löse.
Kann und will ich mit Stativ arbeiten, so kann ich die ISO-Zahl weiter verringern: ISO 1600 ergibt 1/13 Sekunde, ISO 800 steht in dieser Reihe für 1/6 Sekunde, danach kommt das Pärchen ISO 400 und 0,3 Sekunden, ISO 200 geht mit 0,5 oder 0,6 Sekunden einher, und mit ISO 100 belichte ich dann eine volle Sekunde oder etwas mehr. Ohne Stativ und Ruhe geht so etwas nicht, und wer sich mit der Kamera lieber ins Getümmel stürzt, der ist dankbar für die Möglichkeit, einfach den ISO-Wert zu erhöhen, ohne an technischer Qualität zu verlieren.
Auf meinem Beispielfoto ist bei genauem Hinsehen ein leichtes Grisseln auf dem grauen Papier zu bemerken, auch sind die Buchstaben zwar scharf, jedoch nicht super-knackscharf. Aber hey, das hier ist ISO 32.000 ohne nachträgliche Rauschunterdrückung im Bildbearbeitungsprogramm. Ich denke, auf der Hochzeit, werde ich einiges mit ISO 6400 machen, und keiner wird es bemerken.
Das erleichtert manches, und ich verstehe mal wieder nicht, dass es Menschen gibt, die Fortschritt ablehnen.
Glückwunsch zur neuen Kamera, und ich wünsche Dir, dass Du genauso begeistert bleibst, wie ich … 😉
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Das ist tatsächlich beeindruckend, und die Reserve ,die einen schnell macht. Herzlichen Glückwunsch und viel Freude – oder sollte ich sagen Erfolg- mit der neuen Kamera. Wir werden es alle „live“ mitbekommen, was das Ding kann. Da freu ich mich drauf.
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