
Große Gebäude haben ein kleines Problem: Sie sind schwierig zu fotografieren. Zwar ist es leicht, den neuen Freedom Tower in New York, den Kölner Dom oder den Eiffelturm als Motiv auszumachen, aber wie geht es dann weiter? Oft sehen die Bauwerke irgendwie schief aus, und noch öfter fällt es schwer, sie nicht langweilig zu finden, obwohl sie doch eigentlich so faszinierend sind. Um ihre Faszination zu erhalten, kann man spezielle fotografische Techniken nutzen.
Bitte nicht enttäuscht sein: Technik bezieht sich hier nicht aufs Schrauben und Einstellen, sondern auf die Art, mit der Kamera umzugehen. Typischerweise muss man sie nach oben richten, um das große Gebäude ganz aufs Bild zu bekommen. Dann aber entstehen in jedem Fall die sogenannten stürzenden Linien, die den Eindruck erwecken, das Motiv würde nach hinten kippen.
Ganz ehrlich? Da kann man nicht viel machen, solange man nicht in sehr teure Spezialobjektive investiert. Was man aber tun kann, ist zweierlei. Erstens reißt man sein Weitwinkelobjektiv vielleicht nicht bis zum Anschlag auf. Dann schneidet man zwar dem Gebäude möglicherweise ein Stück von unten ab (bitte nicht von oben), aber die Verzerrung fällt milder aus. Das ist auf jeden Fall einen Versuch wert. Zweitens: Man achtet peinlich genau darauf, das Gebäude wirklich lotrecht abzubilden. Je mehr man mit der Kamera von der Horizontalen abweicht, umso unangenehmer kann der Bildeindruck werden.
Wenn man diese technischen Voraussetzungen erfüllt hat, dann kommt ein wichtiges Stück Bildgestaltung dazu. Ich nenne es: Kontext is King. Die Gebäude stehen nicht allein, und es ist die Aufgabe des Fotografen, ein Detail zu finden, das er zu dem Bauwerk in Beziehung setzen kann.
Was ich heute gewählt habe, war nahe liegend: einen Wegweiser zum 9/11 Memorial, das sich zu Füßen des Freedom Tower befindet. Auf diese Weise eignen sich ebenfalls Ampeln, Straßenschilder, die berühmten New Yorker Hot-Dog-Buden an den Kreuzungen und selbstverständlich auch Menschen dafür, einen Kontext zu dem Gebäude zu bilden.
Thematisch kann dieser Kontext passen (so wie hier), aber er kann auch total widersprüchlich sein – letztlich ist alles erlaubt, um das Foto von einem Bauwerk, das jeder schon mal gesehen hat, interessanter zu machen. Hat man seinen Kontext gefunden, so muss noch die fotografische Entscheidung getroffen werden, ob er gleichberechtigt im Bild sein soll, sich in den Vordergrund drängt oder sich vornehm zurückhält, ob er scharf oder unscharf ist, dunkel oder hell.
Letztlich kann man das alles ausprobieren, aber es macht weniger Arbeit, wenn man schon eine Vorstellung davon hat, wie es am Ende aussieht, und was das Bild aussagen soll.
Ich habe mich heute für einen gleichberechtigten Kontext entschieden, daher auch die durchgehende Tiefenschärfe im Bild. Inhaltliches Argument für die Gleichberechtigung ist der direkte Zusammenhang zwischen Wegweiser und Gebäude; optisches Argument ist das Wetter. Der Himmel war total zugezogen, und das Licht war so soft, dass nirgends Schatten auftauchten, um Tiefe zu erzeugen. Für mich eine perfekte Basis, um beide Bildteile gleich zu behandeln.
In der Bildbearbeitung habe ich vor allem die Sättigung der Farben Orange und Blau angehoben und gleichzeitig die Kontraste verstärkt. Das erzeugt eine Komplementärwirkung und verstärkt die Bedeutung des Kontextes.
Und vielleicht am Schluss doch noch ein Stück Technik: Die optische Gleichbehandlung von Motiv und Kontext funktioniert nur, weil ich den Wegweiser angeblitzt habe. Ohne Blitz wird er matt und dunkel, und das können dann nur noch Photoshop-Profis ausgleichen, wenn überhaupt.