Wie bitte, das soll einer der meistgenutzten Flughäfen der Welt sein? Tatsächlich kann man mit der Kamera fast jeden Ort unbelebt aussehen lassen, selbst „Dschehj-Äff-Kehj“ in New York, das macht halt die Beschränkung des Blickfeldes auf ein Rechteck. Wer weiß schon, was jenseits des Bildrandes los ist?
Viele Fotografen sind sehr gut – im Hadern. Zu viel Sonne, zu wenig Sonne, harte Schatten, keine Schatten oder eben ganz allgemein: schlechtes Licht. Nichts kann man ihnen recht machen. Diese Haltung ist falsch, denn sie macht die Fotos erst recht schlecht. Wenn man nicht so leichtsinnig war, vertraglich festzuhalten, dass man seinem Kunden sonnige Bilder liefert, dann kann man bei jedem Wetter entspannt bleiben. Und die Energie fürs Hadern lieber ins Fotografieren stecken.
Heute müssen wir doch mal über Fototechnik reden, denn dieses Bild hier ist ein Beispiel dafür, was möglich ist. Und manchmal dürfen wir uns auch einfach nicht so zieren, sondern müssen uns sagen: Hey, auch wenn das jetzt nicht die reine Lehre ist, ich mache dieses Bild.
Große Gebäude haben ein kleines Problem: Sie sind schwierig zu fotografieren. Zwar ist es leicht, den neuen Freedom Tower in New York, den Kölner Dom oder den Eiffelturm als Motiv auszumachen, aber wie geht es dann weiter? Oft sehen die Bauwerke irgendwie schief aus, und noch öfter fällt es schwer, sie nicht langweilig zu finden, obwohl sie doch eigentlich so faszinierend sind. Um ihre Faszination zu erhalten, kann man spezielle fotografische Techniken nutzen.
Das Beste, was man über Kunst sagen kann, ist, dass sie einen inspiriert. Gestern habe ich ein Buch gelesen mit dem Titel „Big Shots! Die Geheimnisse der weltbesten Fotografen“ (Henry Carroll, Midas-Verlag, 22,90 Euro). Darin habe ich ein Foto gesehen, dem ich ohne die liebevolle Beschreibung des Autors vielleicht gar keine große Bedeutung beigemessen hätte – der Grat zwischen Kunst und Banalität ist in der Fotografie ja ziemlich schmal. Aber Carroll hat es verstanden, mir nahezubringen, warum dieses Bild Beachtung verdient. Und darum habe ich heute versucht, etwas Ähnliches herzustellen.
Gut, das Wort Porträt führt hier vielleicht ein wenig in die Irre. Allerdings: Meinen kurzen nächtlichen Rundgang durch New York habe ich mit einer 50-Millimeter-Festbrennweite unternommen, montiert auf eine Kamera mit kleinerem APS-C-Sensor. Und das bedeutet natürlich etwas für die Fotos.
Wir sehen hier jemanden, den man nicht alle Tage sieht – Tsunemi Oyama ist einer von nur vier Takumi beim Autohersteller Nissan. Takumi nennt man in Japan besonders gut ausgebildete Handwerksmeister, und Oyama und seine drei Kollegen sind die einzigen, die Plaketten mit ihrer Unterschrift am V6-Motor des Sportwagens Nissan GT-R anbringen dürfen – nachdem sie ihn in Handarbeit zusammengebaut haben.
Auf den ersten Blick sind es vier typische USA-Symbole, die man auf diesem Bild sieht – der Kenner identifiziert allerdings auch fünf. Gehen wir es kurz durch: Hier legt offensichtlich jemand eine Verschnaufpause ein, der sich als Freiheitsstatue verkleidet und normalerweise gegen ein paar Dollar Fotos mit Touristen macht. Symbol eins ist also die Statue of Liberty selbst und Nummer zwei natürlich die Nationalflagge – auch wenn die Stars and Stripes hier ein wenig achtlos zusammengeknüllt wurden. Symbol Nummer drei ist das McDonald’s-Logo – ein American Icon der Moderne, genau wie der Ford Mustang, dessen Foto zufällig über dem Schnellrestaurant eingeblendet wurde, als ich hier fotografierte. Und Nummer fünf?
Das Selfie des Jahres, oder? Ich hätte heute noch viel mehr Leute bei dieser speziellen Art der Fotografie beobachten können, denn das Innere der Grand Central Station in New York beeindruckt die Menschen so sehr, dass sie ihren Besuch dort dringend protokollieren müssen. Diese Familie hat es sich dann so richtig gegeben, und sie haben auch etwas länger versucht, ein wirklich gutes Bild zu machen, so dass ich in Ruhe ein paar Mal abdrücken konnte.