
Was für ein Gebäude! Schon lange wollte ich die Zentrale der Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW fotografieren, schließlich habe ich jahrelang direkt gegenüber gearbeitet. Aber wie das so ist: Was bekannt ist, was immer zur Verfügung steht – darum kümmert man sich nicht so recht. Heute ist es endlich passiert – weil zwei Faktoren zusammenspielten.
Erstens: Ich hatte Zeit. Kurz vor 20 Uhr verließ ich das Büro im Springer-Verlag, wo ich diese Woche wieder mal zu tun hatte, und eigentlich wollte ich zum Potsdamer Platz gehen, um dort das Foto für mein Projekt 366 zu machen – die Hochhäuser im Gegenlicht.
Dann aber fiel mein Blick auf das GSW-Haus, das ich von beiden Seiten betrachten konnte, und das sanfte Abendlicht hat die wunderschöne Fassade aus neun verschiedenen Rot-Tönen hervorragend zur Geltung gebracht. Der Himmel war auch schön, also disponierte ich um.
Soweit ich es weiß, ist die Fassade dieses 1999 (oder 1998?) fertiggestellten Hauses vor die eigentlichen Fenster der Zimmer gehängt worden, dadurch entsteht um das ganze Haus herum eine abgeschlossene Luftschicht, so wie bei einer gigantischen Doppelverglasung. Das soll Energie sparen, und für die Außenwelt wird die Extra-Fassade attraktiv, weil vor jedem Glasteil rote, orangefarbene oder rosa Jalousien angebracht sind, die die Angestellten in den Büros nach Belieben öffnen oder schließen können. So sieht das Haus immer mal wieder anders aus – wenn man einen Zeitrafferfilm machen würde, dann würde das wie eine Art Atmung wirken, allerdings eine etwas unregelmäßige.
Die tiefe Sonne hat die westliche Fassade schön warm angeleuchtet – und die Wolke oben über dem Haus gleich mit. Diesen Effekt habe ich in der Bildbearbeitung noch verstärkt, indem ich einen Radialfilter um das ganze Haus gelegt habe, der die Wolke mit einschließt – und alles außerhalb des Filters wurde dann ein Stück abgedunkelt. Gleichzeitig habe ich das Blau des Himmels etwas dunkler gemacht und gesättigt, und Sättigung erfuhren auch die Rot- und Orangetöne der Fassade.
So ist mir mal wieder die Optimierung der Wirklichkeit gelungen – aber ich begründe es auch gern immer wieder: Es geht in der Fotografie nicht allein um die Abbildung der Realität, sondern vor allem um ein schönes Bild.
P.S.: Die Krümmung des Hauses am rechten Bildrand deutet nicht auf ein fröhlich verzeichnendes Weitwinkelobjektiv hin – sondern das haben die Architekten so gewollt.