
Es ist für mich das Spiel der Spiele, allerdings will ich hier nicht so tun, als wäre ich ein guter Schachspieler. Aber beim Aufräumen meines Büros fiel mir das wunderbare Buch „111 Gründe, Schach zu lieben“ in die Hände, und da dachte ich an eine fotografische Idee, die ich vor langer Zeit mal hatte, die aber noch auf ihre Umsetzung wartet.
Ich will dazu jetzt nicht ins Detail gehen (denn vielleicht kommt noch der Tag, an dem meine künftige Schach-Fotoserie mich reich und berühmt macht), aber natürlich hat es etwas mit Schachbrett und Schachfiguren zu tun.
Heute habe ich mir eine simple Mattstellung konstruiert (für Laien wird sie weiter hinten noch erklärt), und die Herausforderung mit der Kamera war zum einen, sie für den Regelkundigen auf einen Blick sichtbar zu machen – und zum anderen musste ich die geringen Farb- und Helligkeitsunterschiede meines Brettes verstärken. Brett und Figuren hat vor Jahren mein Bruder für mich gemacht, nachdem er mit seiner Tischlerlehre fertig war, und ich bin nach wie vor begeistert davon. Es ist nur so, dass Weiß hier nicht weiß ist, sondern eher hellbraun, während Schwarz mittelbraun daherkommt.
Beim Spielen gibt es da keine Probleme, aber wenn man fürs Foto die Figuren anblitzt, dann sind sie alle irgendwie hell- bis mittelbraun. Ich habe die Szene also in Schwarzweiß umgewandelt, die Kontraste stark erhöht und mit dem Orange-Regler der Schwarzweißmischung gearbeitet (was das ist, wird in meinem Blogeintrag Mutprobe genauer erklärt). Und jetzt ist ganz gut zu erkennen, dass sich der beklagenswerte schwarze König und sein Turm vier weißen Gegnern zu stellen haben.
Ich habe hart geblitzt und noch eine Wabe zum Richten des Lichts benutzt, um die Szene zu dramatisieren – und um das Licht unmittelbar hinter dem Rand des Schachbretts abfallen zu lassen. Könnte man sich mit der Struktur des Tisches befassen, auf dem das Schachbrett steht, würde das nur ablenken.
Mich stört allerdings noch eine Sache an dieser Szene, die ich während des kleinen Shootings nicht in den Griff bekommen habe: Eigentlich geht es ja um den König, denn um den geht es beim Schach immer, und das gilt gleich doppelt, wenn er gerade matt gesetzt wurde. Aber optisch stehen die beiden weißen Bauern stärker im Mittelpunkt, oder? Sie bekommen ziemlich viel von dem gerichteten Licht, und weil sie weiß sind, reflektieren sie es auch ganz gut. Ich habe schon mit dem Korrekturpinsel versucht, ihnen etwas Leuchtkraft zu nehmen, aber dieses Instrument in Lightroom ist da offenbar an seine Grenzen gekommen (oder ich habe einen Fehler gemacht).
Warum ich das Bild trotzdem so gelassen habe? Weil das hier auch Work in Progress ist, weil im Fotografenleben nicht jeder Schuss ein Volltreffer ist, und weil man auch mal ein paar Schritte in die falsche Richtung laufen muss, um zu wissen, wo es beim nächsten Mal lang geht. Ich habe jedenfalls ein wenig gelernt für meine oben erwähnte Schachfoto-Idee, und darum lasse ich das Bild jetzt so und erkläre nur noch kurz die aussichtslose Lage des schwarzen Königs.
Wer Schach gar nicht kennt: Es verteilen sich am Anfang je 16 schwarze und weiße Figuren auf 64 Felder. Das ist ziemlich eng, aber während der Partie entsteht mehr Platz, weil sich die Figuren, die abwechselnd gezogen werden, gegenseitig vom Feld schlagen können. Sie müssen das nicht tun, aber sie können es, und es kommt in der Regel auch zu großen Abnutzungsschlachten in der mittleren Phase des Spiels, bis im sogenannten Endspiel nur noch sehr wenige Figuren auf dem Feld stehen. Ziel des Spiels ist es, den gegnerischen König so anzugreifen, dass er auf die Bedrohung, im nächsten Zug geschlagen zu werden, nicht mehr reagieren kann. Er ist dann schachmatt, und das Spiel ist verloren.
In der hier abgebildeten fiktiven Stellung hat gerade der weiße Turm den letzten Zug gemacht, indem er das Eckfeld links oben besetzt hat. Da der Turm beliebig weit in gerader Richtung ziehen kann (senkrecht und waagerecht), droht er nun im nächsten Zug den schwarzen König zu schlagen. Das darf aber nicht sein, darum muss der schwarze Spieler sofort Gegenmaßnahmen ergreifen: Entweder er schlägt seinerseits den weißen Turm, oder er stellt eine eigene Figur zwischen Turm und König, oder er weicht mit dem König auf ein Feld aus, das nicht vom Turm bedroht wird.
Möglichkeit eins scheidet aus, weil es keine schwarze Figur gibt, die den Turm schlagen könnte. Auch der König kann das nicht, obwohl er er in beliebige Richtungen ziehen darf, sogar diagonal – aber leider darf er sich nur Feld für Feld bewegen. Macht er einen Schritt auf den Turm zu, bleibt er immer noch bedroht, und das geht nicht. Möglichkeit zwei scheidet auch aus, weil es keinen schwarzen Leibwächter mehr gibt, der sich zwischen Turm und König werfen könnte.
Bleibt das Ausweichen. Der Schritt nach links ist illegal, hatten wir schon gesagt. Der Schritt nach rechts löst das Problem auch nicht, zudem trifft den König dort der Bannstrahl der weißen Dame. Die Dame ist die mächtigste Figur auf dem Feld, weil sie sich einerseits in alle Richtungen fortbewegen darf und andererseits auch beliebig viele Felder vorrücken kann. Macht der König also den Schritt nach rechts, ist er doppelt bedroht, vom Turm und von der Dame.
Die Dame hat den König auch im Griff, wenn er einen Schritt nach schräg rechts macht – und dasselbe gilt, wenn er nach schräg links ausweicht – die Dame darf ja auch diagonal ziehen). Bleibt das Feld direkt vor dem König, dort könnte er den weißen Bauern schlagen, Turm und Dame haben auf dieses Feld keinen Einfluss. Aber da ist ja noch der zweite Bauer, und Bauern gehen zwar immer nur ein Feld vor (immer vorwärts, niemals rückwärts oder seitwärts), aber zum Schlagen wenden sie sich nach schräg links oder schräg rechts. Der König kann also auch das letzte mögliche Feld nicht besetzen und ist schachmatt.
Bei Profi-Partien sieht man ein echtes Matt leider nicht so oft selten. Die Weltklasse-Schachspieler denken viele Züge im Voraus und wissen schon ziemlich früh, wann es vorbei ist. Viele ziehen es dann vor, das Spiel aufzugeben, bevor sie sich die Demütigung eines Schachmatt antun.
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