
Milliarden Menschen machen Fotos mit dem Smartphone, warum sträube ich mich nur so dagegen? In den Bedingungen meines Projektes 366 ist der Einsatz meines iPhones ausdrücklich erlaubt, und heute musste es auch mal wieder ran. Weil ich auf dem Vorfeld des Salzburger Flughafens nicht die große Kamera auspacken wollte – denn das hätte schlimme Folgen haben können.
Nein, nein, es geht hier nicht um ein mögliches Fotografierverbot, was es ja auf Flughäfen auch schon mal gibt. Bis das jemand durchsetzen wollte, hätte ich das Bild längst im Kasten gehabt und wäre meiner Wege gegangen, also an Bord.
Und genau das ist der Punkt: Heute schleppen so viele Reisende so viel Handgepäck mit, weil sie dem Gepäckabfertigungssystem nicht trauen, oder weil sie es besonders eilig haben und am Ziel der Reise nicht am Gepäckband warten wollen. Regelmäßig ist es schwierig, seine Sachen noch in der Kabine zu verstauen, wenn man zu den Letzten gehört, die ihren Sitz besetzen. Darum blieb die Spiegelreflex im Kamera-Rucksack, der auf jeden Fall einen Platz in den Gepäckfächern braucht, weil er nicht unter den Vordersitz passt.
Mit dem iPhone habe ich erst zweimal im Projekt fotografiert, einmal aus Zeitgründen und einmal während eines Konzertes, und beide Male fällt an den Bildern dasselbe auf wie heute: eine schier unendliche Tiefenschärfe.
Von der Frau im rosa Jäckchen bis zu den Gebäuden weit hinter dem Flugzeug ist alles durchgehend scharf, obwohl die Exif-Daten dieses Bildes ausweisen, dass es mit einer sehr großen Blende 2.2 gemacht ist, bei einer Belichtungszeit von 1/3700 Sekunde und ISO 32 übrigens.
Diese exotischen Einstellungen am iPhone (meins ist ein 5S) haben mit dem winzigen Sensor und der entsprechenden Superweitwinkel-Brennweite des Objektivs zu tun. Der Bildeindruck ist der eines Standard-Weitwinkelobjektivs mit 28 Millimetern Brennweite, doch ist die Diagonale des Sensors rund sieben Mal kleiner als die eines Vollformatsensors, weshalb die tatsächliche Brennweite des iPhone-Objektivs nur 4,15 Millimeter beträgt.
Optisch bedeutet das: Es kommt zu den typischen Nebeneffekten einer extrem geringen Brennweite, und das sind Verzerrungen im Bild (halten sich in meinem heutigen Flugzeug-Foto in Grenzen, aber probieren Sie Gebäude, Menschen am Bildrand oder Porträts aus geringer Entfernung) und eine unermessliche Tiefenschärfe, ähnlich wie bei Action-Kameras wie der GoPro. Eine interessante Bildgestaltung mit Tiefenwirkung und Freistellung des Hauptmotivs ist da nur schwer möglich.
Weil die Tiefenschärfe gen unendlich geht, kann die Blende ruhig weit offen sein (2.2), damit iPhone-Bilder möglichst kurz belichtet werden und trotz des sehr unruhigen Hantierens mit dem flachen Gerät möglichst nicht verwackeln.
Die ISO-Werte werden automatisch den Lichtverhältnissen angepasst, sind aber vergleichsweise niedrig, damit die Bilder wenig rauschen. Bildrauschen ist dennoch ein Thema, auch im blauen Himmel dieses Fotos hier, denn immerhin drängen sich auf dem nur rund 20 Quadratmillimeter großen Sensor etwa acht Millionen lichtempfindliche Dioden. Dagegen können es sich die 21 Millionen Dioden meiner großen Kamera auf 864 Quadratmillimetern geradezu bequem machen.
Damit die iPhone-Auflösung von acht Megapixeln überhaupt erreicht wird, muss jedes einzelne Pixel auf dem iPhone-Sensor rund 16 Mal kleiner sein als auf dem Sensor meiner Vollformatkamera. Das resultiert in einer geringeren Lichtausbeute der einzelnen Dioden, die elektronisch verstärkt werden muss, weshalb Bildrauschen entsteht. Bei Handy-aufnahmen im Dunkeln ist das besonders gut zu sehen.
Solange man die Fotos nur auf dem Handy-Display herumzeigt, ist das Bildrauschen auch zu vernachlässigen. Und da die beste Kamera immer die ist, die gerade zur Hand ist, kann man natürlich auch jederzeit mit dem Smartphone fotografieren.
Ich tue es aus erwähnten technischen Gründen trotzdem nicht gern. Aber heute ging es halt um Höheres: einen sicheren Platz im Handgepäckfach.
P.S.: Wer meine Zahlen nachrechnen will – sie sind alle gerundet, und sie sind vor allem, was den Abschnitt über die Bilddiagonale im Vergleich zwischen Handy- und DSLR-Sensor angeht, nicht ganz genau. Weil der iPhone-5S-Sensor ein Seitenverhältnis von 4:3 hat, während der Vollformatsensor Bilder in 3:2 macht, fällt mir der wissenschaftlich exakte Vergleich schwer – aber an der Grundtendenz meiner Aussagen ändert sich nichts.
Ich vergleiche das immer gerne mit Furtwänglers Bruckner-Interpretationen oder frühe Duke Ellington-Aufnahmen. Mono, Rauschen, wenig Raumhall und trotzdem unglaublich emotional. Meist braucht man (ich)10-15 Minuten bis man die aufnahmetechnischen Nachteile nicht mehr registriert. Natürlich macht tolle Technik auch in der Musikschiene einen Wahnsinnsspaß. Aber das wirkliche Wesen der Musik, die Seele quasi, ist davon unabhängig. Und beim Fotografieren seh ich das eher auch so( vergl. mein heutiges Nachtbild mit 2000 ISO). Ich schau Dein Foto unter ganz anderen Gesichtspunkten an, da konzentrier ich mich nicht drauf, ob es rauscht. Natürlich gefällt mir „kein Rauschen“ schon viel besser, ist aber nicht immer das entscheidende Kriterium
Möge der Sonntag schön werden
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