
Ich muss hier ehrlich sein: Die Überschrift ist ein Klischee, sie passt schön zum Bild (Nummer 1 fährt alleine durch die Nacht, das ist ja fast schon romantisch). Aber sie passt nicht ganz zur Wahrheit.
Also: Dieser Porsche 919 hat im vergangenen Jahr zwar die Langstrecken-Weltmeisterschaft gewonnen und ist deswegen heute zu Recht mit der Startnummer 1 unterwegs. Aber „einsam an der Spitze“ fährt das Auto dieses Jahr mitnichten, das sieht nur auf dem Foto so aus. Beim Saisonfinale auf der Rennstrecke in Bahrain geht es für die Nummer 1 morgen (Samstag, 19.11., ab 14 Uhr MEZ) nur noch darum, dem Schwesterauto mit der Startnummer 2 zum Gesamtsieg zu verhelfen – denn ein Toyota hat ebenfalls noch Titelchancen. Man sieht, ich bin wieder da, wo ich so gerne bin, nämlich beim Autorennen.
Heute war das Qualifying, und da habe ich ein, zwei Stellen zum Fotografieren ausprobiert für das Sechsstunden-Rennen morgen (Langstrecken-WM, das ist schon so gemeint). Das Schöne ist, dass ca. 30 Minuten nach dem Start (Ortszeit 16 Uhr) schon die Sonne untergeht, und dass die Strecke komplett beleuchtet ist (wir sind in Bahrain, was kostet die Welt?). So ist das Licht zum Fotografieren total berechenbar, die Schatten bilden sich in der Regel nur direkt unterm Auto, und Reflexionen sind auch nicht das Problem. Es ist wie in einer Fabrikhalle mit Neonlicht, aus meiner Sicht sind das ideale Bedingungen.
Zwar ist das Licht, wenn es vom unbestechlichen Belichtungsmesser ausgewertet wird, doch nicht so hell, wie es auf den ersten Blick aussieht. Aber für Mitzieher, bei denen man mit längerer Belichtungszeit fotografiert, um den Hintergrund durch die Bewegung der Kamera verwischen zu lassen, reicht es allemal. Hier habe ich mit 1/160 Sekunde und Blende 4 bei ISO 800 fotografiert.
Nun ist 1/160 Sekunde nicht unbedingt lang, aber die Autos der LMP1-Klasse sind auch ziemlich schnell unterwegs. Ich wähle als Belichtungszeit beim Mitziehen immer den Kehrwert der Geschwindigkeit, und es wurde 1/160 Sekunde, weil ich das Tempo des Wagens an dieser Stelle auf rund 150 km/h geschätzt habe.

Wenn ich das Foto von heute mit meinem absoluten Lieblingsmitzieher vom 24-Stunden-Rennen in Daytona vergleiche, das ich hier mal zum Vergleich einstelle (Blogpost dazu am 31.1.2016), dann unterscheidet sich da nur die Lichtempfindlichkeit des Sensors geringfügig, in Daytona war ich bei ansonsten gleichen Bilddaten auf ISO 1250. Das ist nicht mal eine Blendenstufe zusätzlich (die wäre bei ISO 1600 erreicht gewesen). Dabei ist die Strecke in Daytona längst nicht so stark beleuchtet wie die in Bahrain.
Das Geheimnis liegt, wie so oft, in der Nachbearbeitung. Das Bild aus den USA habe ich nachträglich um 2,4 Blendenstufen aufgehellt, das aus Bahrain nur um 0,4. Hätte ich diese Möglichkeit nicht genutzt, so hätte ich das Bild in Daytona mit ISO 5000 machen müssen, was das Bildrauschen sichtbar erhöht hätte.
Sofern ich morgen beim Rennen nicht nur Mitzieher machen, sondern auch Positionskämpfe in der Kurve festhalten will, muss ich deutlich kürzer belichten, also auch die ISO-Zahl erhöhen. Da ich hier eine neue und in Sachen ISO deutlich bessere Kamera benutze, werde ich mich von ISO 800 auf ISO 3200 wagen, so dass aus 1/160 Sekunde dann 1/640 Sekunde werden kann. Mit 1/1250 Sekunde oder gar 1/2500 Sekunde kann ich auch arbeiten, wenn ich bereit bin, eine bzw. zwei Blendenstufen unterzubelichten und diesen Fehler in der Nachbearbeitung auszugleichen.
Dass das funktioniert, kann man ja gut am Daytona-Foto sehen. Und solche harten Korrekturen sind dann auch harte Argumente, die Kamera im Raw-Modus arbeiten zu lassen. Die im wahrsten Sinne rohen Daten vom Kamerasensor lassen sich sehr viel ergiebiger bearbeiten als die jpg-Dateien, die die Kamera ebenfalls erzeugen kann.
Ich selbst fotografiere ausschließlich im Raw-Modus und kann das jedem nur empfehlen. Der gesamte Arbeitsprozess dauert damit zwar etwas länger, aber die Ergebnisse der Bildbearbeitung sind a) besser und b) individueller, weil man dem Bild seinen eigenen Look geben kann.