
Man soll ja nicht schadenfroh sein. Aber als ich heute in den Nachrichten hörte, dass auf unserer Autobahn die ganze Nacht gebaut würde und deshalb in östlicher Richtung zwei von drei Spuren gesperrt wären, da dachte ich: Wie schön.
Ich nahm das Stativ und fuhr los, denn es gibt da diese Brücke für Fußgänger und Radfahrer, und von dort aus hat man eine gute Aussicht. Man muss nur, bis man auf der Brücke ist, ein paar Hundert Meter durch absolute Finsternis stapfen. Denn wo es keine Anwohner gibt, denen man 75 Prozent der Baukosten einer Wegebeleuchtung aufdrücken kann, da engagiert sich die Stadt nicht so besonders. Aber ich schweife ab.
Oben angekommen, machte sich meine Routine im Umgang mit der Kamera bezahlt, denn ich sah zwar im Dunkeln das Menü, aber alle Knöpfe daneben sah ich nicht. Ich hätte eine Taschenlampe mitnehmen sollen, das wäre noch cooler gewesen, als mit Kamerakenntnis zu prahlen – beim nächsten Mal.
Was ich wollte, kann man auf dem Bild hoffentlich gut erkennen: Auf der einen Seite der Bahn sollte Stillstand, auf der anderen Bewegung zu erkennen sein. Ich habe dafür mit verschiedenen langen Belichtungszeiten zwischen 1/8 und 8 Sekunden experimentiert, und schnell stellte sich heraus, dass es auf der linken Seite der Autobahn bei den frei fahrenden Autos keine schönen Lichtstreifen gab, wenn ich unter zwei Sekunden ging. Diese Zeit ist aber wiederum so lang, dass die Autos rechts nur ganz wenig rollen müssen, um ebenfalls unscharf zu werden.
Da hieß es Geduld haben, bis sich vorne mal jemand etwas ungeschickter anstellen und den Betrieb noch stärker aufhalten würde, als es Baustelle ohnehin schon tat. Offenbar hatte sich aber schon vor meinem Eintreffen dort, wo die Autobahn von drei auf zwei Spuren verengt worden war, ein Unfall ereignet, denn nacheinander erschienen drei Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht.
Das ist tragisch für die Beteiligten (hoffentlich nicht zu sehr), meinem Bild aber hat es geholfen, denn nun wurden die gestauten Autos tatsächlich noch langsamer. Es stehen zwar nicht alle Fahrzeuge rechts komplett still, aber doch genügend (vor allem im vorderen Bildteil), um einen Eindruck von Schärfe zu erzeugen.
Auch die Sternenlichter, die von den roten Rückleuchten ausgehen, tragen ihren Teil dazu bei, dem Bild die nötige Ruhe zu geben. Man erzeugt diese speziellen Strahlen, indem man sein Objektiv abblendet, mindestens auf Blende 8, gerne auch 11 oder 16.
Das geht natürlich nur, wenn man tatsächlich mit Stativ arbeitet, dieses Foto hier ist mit Blende 16 und vier Sekunden Belichtungszeit bei ISO 100 aufgenommen. ISO 100 bei Nacht? Ja, klar, wenn man ohnehin ein Stativ benutzt und lange Zeiten braucht, dann muss man den Sensor ja nicht so herausfordern, was Bildrauschen angeht.
Je lichtempfindlicher der Sensor gemacht wird (je höher also die ISO-Werte steigen), desto mehr Bildrauschen zeigt sich. Man sagt ja immer, dass nur Fotografen das Rauschen überhaupt sehen und Kunden nicht. Aber erstens stimmt das nicht ganz, und zweitens wird Rauschen besonders in dunklen Bildbereichen auffällig, also war ISO 100 hier angebracht (auch weil ich drittens meine älteste Kamera am Start hatte).
Da ich schon länger keinen intakten Fernauslöser für die Kamera mehr habe, kam hier der Selbstauslöser mit zwei Sekunden Vorlauf zum Einsatz. Nachdem ich einmal mithilfe des Displays und zehnfacher Vergrößerung des Bildes manuell scharfgestellt hatte, blieb der Autofokus aus, weil er sonst bei jedem Druck auf den Auslöser erneut versucht hätte, irgendetwas unten auf der Straße zu fokussieren.
Auch der Bildstabilisator sollte bei Langzeitbelichtungen vom Stativ aus abgeschaltet werden, weil er sonst auf Verdacht an den Linsen ruckeln kann und damit das Bild wertlos macht, und zu guter Letzt habe ich die Spiegelvorauslösung aktiviert. Damit klappt der Spiegel nicht erst kurz vor dem Verschluss hoch, sondern tut das in Ruhe, bevor der Selbstauslöser seine Sekunden zählt – das ist eine Art letzter Feinschliff, um winzigste Erschütterungen der Kamera zu vermeiden.
Und nach einer guten Stunde war mir dann auch kalt, und ich bin wieder gegangen.