
Ich gebe zu, das ist ein langer Titel. Eigentlich sollte der Polizist auch gar nicht mitspielen. Aber dann hat er sich einfach eingemischt.
Von heute bis zum Freitag oder Sonnabend arbeite ich täglich in der Redaktion der „Welt“ mit, weil wir die neue „PS Welt“ produzieren, die unglaubliche Auto-Beilage der „Welt am Sonntag“, die am 19.6. wieder erscheint. Werbemodus aus 😉
Also habe ich meine Kamera im Rucksack und werde diese Woche Berliner Motive finden. Heute ging ich nach Feierabend am Jüdischen Museum vorbei, und die Abendsonne schien so schön auf die Fassade, dass ich mein Motiv bald gefunden hatte.
Als ich etwa eine halbe Stunde rund ums Haus unterwegs war, sprach mich ein Polizist an: „Was fotografieren Sie denn da?“
Ich hatte ein reines Gewissen (wg. Panoramafreiheit, siehe Blogpost vom 2. Juni), aber ich ärgerte mich auch. Nicht, weil der Polizist mich vielleicht verdächtig fand. Sondern weil es in Deutschland wirklich notwendig ist, jüdische Einrichtungen permanent unter Polizeischutz zu stellen. Am Museum sind regelmäßig drei oder vier Beamte im Einsatz.
Aber ich schluckte meinen Ärger herunter und antwortete, dass ich Architektur fotografiere. Da sprach ich ein großes Wort gelassen aus, das ist mir bewusst, aber die Feinheiten der Architekturfotografie waren dem Polizisten wahrscheinlich noch weniger vertraut als mir, also schmückte ich mich aus Gründen der einfachen Kommunikation mit dem Image des Architekturfotografen.
Wenn da mal ein echter Vertreter seines Fachs kommt, mit großem Stativ und Tilt-Shift-Objektiv, mit ständigen Positionswechseln und viel Wartezeit, bis das Licht und/oder der Schatten stimmt, dann dürfte das dem Polizisten noch verdächtiger vorkommen.
Ich war ihm jedenfalls aufgefallen, weil ich so nah an das Gebäude herangetreten war. Er sehe sonst immer nur Leute, die das Museum aus größeren Entfernungen fotografierten. Da habe ich ihm ein paar meiner Bilder gezeigt, die belegten, dass ich keine Einbruchspläne ausgeheckt oder Verstecke für Bomben gesucht habe, und dann gingen wir unserer Wege.
Erst jetzt habe ich mein Foto des Tages gemacht, weil ich plötzlich entdeckte, dass Daniel Libeskind, der Architekt des Museums, ein Herz für Fotografen haben muss. Nicht nur, weil das Gebäude im Ganzen so beeindruckend ist (von oben sieht es – absichtlich – aus wie Teile eines zerschmetterten Davidsterns), sondern auch, weil er die Fassade und die Fenster ebenfalls in totaler Nicht-Ordnung gestaltet hat.
Und diese vielen, vielen Linien kaschieren ganz gut das Phänomen der stürzenden Linien, das immer dann entsteht, wenn Gebäude-Ebene und Sensor-Ebene der Kamera nicht exakt parallel ausgerichtet sind – also ohne Stativ und Tilt-Shift-Objektiv praktisch nie. In diesem Bild treten die Diagonalen in der Fassade sowie die unglaublichen Fenster so deutlich in den Vordergrund, dass man kaum merkt, wie sich das Gebäude nach rechts hin scheinbar rückwärts biegt. Links im Bild sind jedenfalls die Fugen zwischen den Fassadenplatten senkrecht, am rechten Ende sind sie es längst nicht mehr.
In der Bildbearbeitung habe ich die stürzenden Linien nicht korrigiert – die Upright-funktion von Lightroom hat hier so viel Unsinn angerichtet, dass ich sie sofort rückgängig gemacht habe. Stattdessen habe ich mich mehr um Farben und Kontraste gekümmert – schon weil die oberen Fassadenplatten auch in Wirklichkeit etwas dunkler sind als die unteren.
Ganz lässt sich das nicht unterdrücken (auch weil die unteren Platten glänzen, die oberen nicht), aber das muss ja auch gar nicht sein. Man kann hier ruhig sehen, dass das Museum so langsam anfängt, in Würde zu altern, immerhin steht es schon seit 15 Jahren da.
Die starke Erhöhung des Kontrastes hat die Fassade in meinen Augen attraktiver und lebendiger gemacht, allerdings tendierten die Fensterscheiben nun in Richtung verspiegelte Sonnenbrille. Also habe ich mit dem Farbregler die Sättigung von Blau etwas zurückgedreht, und mit dem leichten bläulichen Gesamtton der Aufnahme kann ich jetzt sehr gut leben.
Ich freue mich über kleine Dinge, ich bin wirklich ganz harmlos.
Persönlicher Kontakt: 0171/8323 565
mail@stefananker.com