
Ich finde, man darf Bilder manipulieren, was Farbeindruck, Lichtstimmung und solche Dinge angeht. Man muss die Manipulation allerdings auch zugeben, zumindest auf Befragen. Mein heutiges Foto des Tages habe ich deutlich verändert, und ich gebe das sogar ungefragt zu – weil es ohnehin herauskäme.
Es ist ja nicht so, dass es ein solches Abendlicht, wie ich es hier zeige, nicht gäbe. Nur als ich fotografierte, so gegen 18 Uhr, stand die Sonne noch lange nicht so tief, dass es für diese Sonnenuntergangs-Beleuchtung gereicht hätte. Und weil ich beim Fotografieren Zeugen hatte, nämlich meine Frau, die mit mir auf der Brücke stand, und natürlich die Besatzungen der beiden Boote, würde ich dieses Foto niemals „Sonnenuntergang am Krüpelsee“ nennen, das wäre peinlich.
Entstanden ist die besondere Lichtstimmung im Wesentlichen durch das Herumspielen am Weißabgleichsregler, den ich hier ein gutes Stück in Richtung wärmere Farben geschoben habe. So wurden die hellen Bildteile (die ja tatsächlich von der tief stehenden Sonne so hell erleuchtet werden) nach und nach immer gelber. Man hätte das Bild tatsächlich in sattes Sonnengelb tauchen können, aber es sollte ja realistisch bleiben. Also habe ich entschieden, dass ein zarter Orange-Ton am besten zu dem blaugrauen Wasser passt und auch am glaubwürdigsten für einen Sonnenuntergang wäre.
Das ist ja das Gute an der digitalen Fotografie: Man gelangt mit dem Drücken des Auslösers nicht ans Ende des kreativen Prozesses. Manche Fotografen fangen überhaupt erst an, kreativ zu sein, wenn sie am Computer sitzen.
So weit will ich es nicht treiben, schon aus Zeitgründen. Und natürlich will ich mir zumindest über das Motiv und die Belichtung selbst Gedanken machen. Hier war wegen des Gegenlichts und der deutlichen Abschattung im Vordergrund klar, dass ich mich für einen Lichtcharakter entscheiden musste – ich habe auf die Sonne belichtet und eine sehr dunkle Motoryacht in Kauf genommen. Umgekehrt wäre aber der Hintergrund strahlend weiß geworden und hätte sich wahrscheinlich nicht mehr so schön umfärben lassen, das Bild wäre insgesamt kontrastärmer geworden und hätte für mich weniger Wert gehabt.
Fotografieren bedeutet aber nicht nur belichten, sondern auch gestalten. Mir war hier wichtig, dass das Ruderboot weit genug ins Licht kommt und das Motorboot in der Zeit nicht zu viel aufholt – so wie es jetzt ist, halten sie den perfekten Abstand zueinander. Und die beiden Schifffahrtszeichen, durch die beide Bootsführer hindurch navigieren, sind natürlich ein Glücksfall für das Bild. Die im Wasser schwimmenden Baken geben den Booten eine Richtung, und der Betrachter weiß, obwohl sich auf einem Foto natürlich niemals etwas wirklich bewegt, wohin die Reise weiter geht.
So bildet sich im Bild ein kleines Spielfeld aus den Schifffahrtszeichen und den Booten, dieses Spielfeld reicht genau bis zur Hell-Dunkel-Grenze auf dem Wasser, und es wird umrahmt von drei Ufern, die ein weiteres, übergeordnetes Spielfeld bilden. Dabei ist das rechte Ufer am wichtigsten für das Foto, denn die Bäume hier verdecken die Sonne. Man ahnt, dass sie durch die Zweige schimmern könnte, man sieht aber letztlich nur das Licht auf dem Wasser.
Muss man sich so viele Gedanken machen beim Fotografieren oder beim Betrachten eines Fotos? Nein, das muss man nicht, man kann das auch alles ganz instinktiv erledigen. Dafür eignet sich Fotografie hervorragend, weil man nicht wie etwa beim Malen noch kunsthandwerkliches Geschick aufbringen muss.
Aber ich finde, es lohnt sich immer, die Ideen und Strukturen in Bildern zu suchen. Wenn man sie findet, ist es ein großartiges Gefühl – und ich rate dazu, mit dieser Suche in den eigenen Werken anzufangen. Da findet man nämlich manchmal etwas, das man beim Fotografieren selbst gar nicht beabsichtigt hatte. Und das macht dann wirklich Spaß.
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