
Darf man in einem Foto-Blog über Motivationskrisen schreiben? Noch dazu, wenn man selbst der Fotograf ist, der die ganze Sache am Laufen hält? Ich hatte befürchtet, dass dieser Tag kommt, darum gab es schon eine Art Plan B. Am Ende hat mich aber nur eine Weisheit von Loriot gerettet.
Sie ist hier als Überschrift zu lesen: „Reiter werden ja immer gebraucht.“ Und weil das so ist, gibt es auch immer irgendwo ein paar Pferde. Ihnen muss man nur begegnen beim Abarbeiten von Plan B (auf Motivsuche ziellos durch die Gegend fahren), und schon hat man sein Bild. Ein Makro im Garten geht natürlich auch, aber das war in letzter Zeit ziemlich oft im Blog zu sehen (hier, hier und hier), und meine Frau hatte mir den unmissverständlichen Tipp gegeben: „Mal wieder etwas Lebendiges wäre schön.“
Man muss dazu wissen: Meine Frau ist Bildredakteurin. Sie sichtet an jedem Arbeitstag Hunderte von Fotos, und in der Nachrichtenbranche ist es üblich, dass knospende Rhododendren eher selten vorkommen, meistens passiert auf den Fotos irgend etwas. Zumindest sind Lebewesen drauf, also solche, die sich aktiv bewegen können, das ist schon ein Unterschied zu Pflanzen.
Nun wird man meinem Gaul hier nicht gerade überschäumendes Temperament vorwerfen, aber angesichts der vorgerückten Stunde und des Schattens, der sich vom Wald über die Koppel gelegt hatte, wollte ich das Bild genau so haben.
Denn kaum hatten die Pferde (es waren mehr als zehn) meine Anwesenheit am Zaun bemerkt, trotteten alle langsam auf mich zu. Meine Chance war gekommen, als ich eins der Pferde (Oder ist es ein Pony? Ich nehme Ratschläge an.) etwas abseits der kleinen Herde entdeckte. Schnell postierte ich mich genau so, dass wir einander direkt gegenüber standen, und ich fotografierte das Tier mit dem Teleobjektiv genau in der Bildmitte – immer in der Hoffnung, die Beine sehen auf irgendeinem Schuss so aus, als würde das Pferd nicht gehen, sondern stehen.
Voila, das hat geklappt. Und als ich das Foto später in Lightroom öffnete, entdeckte ich noch ein Geschenk von Meister Zufall: Der Horizont, in diesem Fall die Kante am Ende der Koppel und am Beginn des Waldes, liegt ziemlich genau auf Augenhöhe des Pferdes, und wenn man das Foto ins 16:9-Format bringt, führt auch noch die obere Drittellinie durch Augen und Horizont.
Von diesem Moment an war meine kleine Motivationskrise verschwunden. Jetzt wollte ich das Foto, das in kontrastarmem Abendlicht (es kommt von rechts hinten) entstanden war, inszenieren wie ein Porträt.
Dazu habe ich digitale Scheinwerfer aufgestellt, also mal wieder einen schön großen, kreisrunden Radialfilter um das Hauptmotiv gelegt und alles außerhalb des Filters sanft abgedunkelt. Zwei weitere Radialfilter, jetzt mehr in Ellipsenform, kamen dann noch über Kopf und Körper des Pferdes, um das Tier gezielt aufzuhellen.
Das braune Fell des Pferdes habe ich extra gesättigt, und mit den Reglern für Farbton, Luminanz und Sättigung habe ich das Grün der Wiese so verändert, dass es für mich gut zum Fell passt. Insgesamt ist das Bild dann noch leicht entsättigt worden, und der Weißabgleich rutschte ein Stückchen Richtung gelb bzw. warm.
Alles in allem wirkt das Foto jetzt so, als hätte das Pferd mir Modell gestanden. Dabei ist das hier wirklich nur 1/200 Sekunde aus seinem Pferdeleben. Schon einen Augenblick später sind die Hufe wieder zu weit auseinander, das Größenverhältnis zwischen Pferd und Umgebung passt nicht mehr richtig, der Kopf senkt sich oder ruckt zur Seite. Alle anderen Bilder dieser Szene sind tatsächlich nicht bearbeitungswürdig.
Ich hatte einfach Glück. Und das kann man auch gut gebrauchen, wenn man keine Idee hat.
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