
Keine Sonne, kein Blitz, finsterer Wald – und doch kann man schöne Fotos machen heutzutage. Wenn Sie mir bitte folgen wollen in die Welt der Digitaltechnik…
Möglicherweise wäre dieses Bild auch auf Film gelungen, aber sicher nur mit einiger Nachhilfe im Labor. Denn generell ist es eigentlich nicht möglich, gegen den trüben Himmel (der trotzdem sehr hell ist) so zu fotografieren, dass man in der Baumrinde im Vordergrund jede einzelne Faser gut erkennt, der Himmel selbst aber nicht ausfrisst (also nur grellweiß zu sehen ist).
Man kann so etwas mit einem Aufhellblitz erledigen, aber heute hatte ich nun mal keinen dabei. Um ehrlich zu sein: Es musste eher schnell gehen mit meinem Foto des Tages. Trotzdem sollte es natürlich gut aussehen und Anlass für ein paar Zeilen Text geben.
Ich habe also folgende Vorzüge der modernen Technik genutzt.
1.) Vollformatsensor. Man braucht den nicht für alles, aber wenn das Licht schlecht wird oder schwierig oder ungleichmäßig, dann sind große Sensoren im Vorteil gegenüber kleinen und gute gegenüber schlechten. Wer einen großen und guten Sensor hat (da wäre bei meiner Kamera noch Luft nach oben, fürchte ich), der ist dann ganz weit vorne, aber Größe ist schon mal nicht schlecht. Warum? Weil auch jedes einzelne Pixel größer ist und mehr Licht einfängt – das macht flexibel. Ach ja: ISO 800, wie hier eingestellt, kann so ein großer Sensor natürlich locker vertragen, ohne dass man in Sachen Rauschen den Unterschied zu ISO-100-Bildern sehen würde. Höchstens mit Messgeräten im Labor, aber wer will das schon?
2.) Lichtstarke Festbrennweite. Ja, so etwas gab es früher auch schon, wahrscheinlich sogar häufiger als heute. Wobei ich hier die Lichtstärke 1.4 meines 50-Millimeter-Objektivs gar nicht ausgenutzt habe, sondern nur die unglaubliche Schärfe und Verzerrungsfreiheit. Ab und zu fotografiere ich sehr gern mit dem Teil und freue mich immer wieder an der Bildqualität. Hier übrigens kam Blende 4 zum Einsatz, damit nicht nur ein paar Zentimeter der Baumrinde scharf werden.
3.) Überbelichtung. Von vornherein muss man ein Bild überbelichten, wenn man außer dem Himmel auch sonst noch etwas erkennen will. Hier war es eine Blendenstufe. Überbelichten ging früher natürlich auch, aber jetzt kann man auf dem Kameradisplay gleich sehen, wie es geworden ist.
4.) Bildbearbeitung. Früher hieß das Labor, und man brauchte dazu Gerätschaften, Personal und Geduld. Heute heißt es Lightroom, der Fotograf bedient es selbst und sofort. Ich habe hier wie üblich den Kontrast erhöht und danach noch einmal die hellen Mitteltöne und die Tiefen mit der Gradationskurve bis an die Grenzen des Erlaubten gezogen. Lichter und Weißtöne musste ich daher etwas zurücknehmen, aber der gewünschte HighKey-Effekt (ausgeprägte Helligkeit) blieb. Mit einem Radialfilter um den Stamm habe ich dann noch die Bildränder links und rechts leicht abgedunkelt, um die Struktur der anderen Bäume nicht komplett aufzulösen. Gerade bei viel Weiß im Bild sieht das mit dem Radialfilter wesentlich harmonischer aus als mit einer Vignette, die die Ecken zu stark betont. Zum Schluss habe ich das Grün des Mooses und der unscharfen Blätter/Nadeln im Hintergrund per Farbregler heller eingestellt und maximal gesättigt und den Weißabgleich ein Stück Richtung blau/kühl verändert.
Es lebe die Digitalfotografie! Wirklich.