Dieses Bild schafft in Sachen Aufbau und Gestaltung etwas Interessantes: Es ist auf der einen Seite völlig klar – und auf der anderen Seite führt es den Betrachter (selbst wenn er eine Bildunterschrift zu lesen bekommt) in die Irre. Denn mal ehrlich: Was ist hier eigentlich zu sehen?
Im Kino würde man „Sneak Preview“ dazu sagen. Ich zeige hier ein Foto aus einer Produktion, die heute entstanden ist, aber erst am 19. Juni in der „PS Welt“ erscheinen wird, der Auto-Extremistenbeilage der „Welt am Sonntag“. In diesem wunderbaren Druck-Erzeugnis (ja auf Papier, und zwar auf besonders gutem!) wird garantiert kein Gramm Kohlendioxid gezählt (oder auch nur erwähnt), sondern man sucht sich da die heißesten Spielzeuge auf vier Rädern aus und setzt sie ansprechend in Szene. Für eine der Geschichten war heute ich zuständig, und ich kann versprechen, dass diese Mercedes G-Klasse 4×4 hoch 2 (heißt wirklich so) noch nicht das beeindruckendste ist, was mein Foto-Tag zu bieten hatte.
Dieses Bild hat mir gefehlt, ja, wirklich. Vor knapp zwei Wochen war ich an Bord des Ausflugsschiffes „MS Olympia“ gegangen, um eine Fotoreportage zu machen (aufmerksame Blog-Besucher erinnern sich an mein Porträt vom Kapitän), aber leider kann ja kein Fotograf an zwei Orten gleichzeitig sein. Also musste ich heute noch einmal hin, um die Sache zu Ende zu bringen.
Achtung, gleich platzt hier jemand. Die Rhododendronknospe steht kurz vorm Aufblühen, und wenn ich mich richtig erinnere, wird sie sehr groß und weiß rosa werden. Das Grün tritt dann in den Hintergrund, und es ist auch in natura nicht so kräftig wie hier auf dem Foto – doch dieses Mal hat mir nicht allein die Bildbearbeitung geholfen.
Okay, wer weiß jetzt nicht, was für ein Flugzeug das ist? Ich denke, man muss weder auf die Bildunterschrift schauen, noch Luftfahrt-Enthusiast sein, um eine Boeing 747 (vulgo: Jumbo-Jet) auf Anhieb zu erkennen. Diese Maschine ist ein Symbol für unseren mobilen Lebensstil, und wer in den vergangenen 50 Jahren nicht in der Höhle gelebt hat, der hat schon mal irgendwo eine 747 gesehen – und sei es auf einem Foto. Weil dieses Flugzeug so bekannt ist, habe ich mir bei meinem Bild einen besonderen Gestaltungstrick erlaubt.
Wie bitte, das soll einer der meistgenutzten Flughäfen der Welt sein? Tatsächlich kann man mit der Kamera fast jeden Ort unbelebt aussehen lassen, selbst „Dschehj-Äff-Kehj“ in New York, das macht halt die Beschränkung des Blickfeldes auf ein Rechteck. Wer weiß schon, was jenseits des Bildrandes los ist?
Viele Fotografen sind sehr gut – im Hadern. Zu viel Sonne, zu wenig Sonne, harte Schatten, keine Schatten oder eben ganz allgemein: schlechtes Licht. Nichts kann man ihnen recht machen. Diese Haltung ist falsch, denn sie macht die Fotos erst recht schlecht. Wenn man nicht so leichtsinnig war, vertraglich festzuhalten, dass man seinem Kunden sonnige Bilder liefert, dann kann man bei jedem Wetter entspannt bleiben. Und die Energie fürs Hadern lieber ins Fotografieren stecken.
Große Gebäude haben ein kleines Problem: Sie sind schwierig zu fotografieren. Zwar ist es leicht, den neuen Freedom Tower in New York, den Kölner Dom oder den Eiffelturm als Motiv auszumachen, aber wie geht es dann weiter? Oft sehen die Bauwerke irgendwie schief aus, und noch öfter fällt es schwer, sie nicht langweilig zu finden, obwohl sie doch eigentlich so faszinierend sind. Um ihre Faszination zu erhalten, kann man spezielle fotografische Techniken nutzen.
Das Beste, was man über Kunst sagen kann, ist, dass sie einen inspiriert. Gestern habe ich ein Buch gelesen mit dem Titel „Big Shots! Die Geheimnisse der weltbesten Fotografen“ (Henry Carroll, Midas-Verlag, 22,90 Euro). Darin habe ich ein Foto gesehen, dem ich ohne die liebevolle Beschreibung des Autors vielleicht gar keine große Bedeutung beigemessen hätte – der Grat zwischen Kunst und Banalität ist in der Fotografie ja ziemlich schmal. Aber Carroll hat es verstanden, mir nahezubringen, warum dieses Bild Beachtung verdient. Und darum habe ich heute versucht, etwas Ähnliches herzustellen.